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Vom Lachen und Machen in finsteren Zeiten

6. November 2024

Von Torsten Krug

„Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten! // Das arglose Wort ist töricht. Eine glatte Stirn / Deutet auf Unempfindlichkeit hin. Der Lachende / Hat die furchtbare Nachricht / Nur noch nicht empfangen. // Was sind das für Zeiten, wo / Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist / Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt! / Der dort ruhig über die Straße geht / Ist wohl nicht mehr erreichbar für seine Freunde / Die in Not sind?“

Torsten Krug - Foto: Andreas Fischer
Torsten Krug - Foto: Andreas Fischer

Brechts Gedicht „An die Nachgeborenen“, das er auf der Flucht vor den Nazis im Exil schrieb, möchte man oft und gerne heranziehen, scheut sich aber sogleich, seine „finsteren Zeiten“ mit unseren zu vergleichen – womit wir schon wieder beim Thema des Gedichts wären. Selbstverständlich erleben „wir“ beispielsweise als Stadtgesellschaft in Wuppertal nicht den Hauch einer Lage, wie sie sich Brecht darstellte. Doch sind wir als globale Gesellschaft heute so vernetzt, sind das Leid und die Bedrohungen durch neu erstarkte faschistische Bewegungen so real und nicht nur virtuell nah, dass viele von uns selbst diese virtuelle Konfrontation meiden – oder eben auch: nicht mehr lachen, kein Gespräch mehr über Bäume führen, ihre Stirn kaum noch glatt wird. Doch „Auch der Haß gegen die Niedrigkeit / Verzerrt die Züge. / Auch der Zorn über das Unrecht / Macht die Stimme heiser. Ach, wir / Die wir den Boden bereiten wollten für Freundlichkeit / Konnten selber nicht freundlich sein“, heißt es später im Gedicht.

Tatsächlich fällt es oft gerade den Feinsinnigeren unter uns schwer, gelassen und freundlich zu bleiben angesichts der allgegenwärtigen Verrohung und Dummheit. Was dabei verloren geht, ist schon das Lächeln auf der Straße, das Grüßen, selbst die freundliche Begegnung mit Gleichgesinnten.

Ob das oft beschriebene Lachen der Kamala Harris gegen den faschistischen Troll gesiegt haben wird, kann ich zum Zeitpunkt des Schreibens dieser Kolumne noch nicht wissen. Stattdessen komme ich vom Verlegen von Tanzteppich auf der Insel für ein internationales Gastspiel. Viele sind da, die anderes an einem sonnigen Sonntagvormittag vorhaben könnten. Doch so – gemeinsam – geht es ganz leicht, freuen wir uns alle auf den Abend und laden noch Freunde, die spontan mit angepackt haben, dazu ein.

Stefan Seitz schrieb vergangenen Samstag in der Rundschau, er fände es „toll, wenn die in dieser Stadt, denen das Nörgeln und Quengeln offenbar unverzichtbar ist, sich all die aus der Kultur, die einfach mal machen, zu Vorbildern nähmen“. Das ist eine schöne Widmung. Doch keine Sorge: Auch in der Kulturszene nörgeln und meckern wir, gibt es Neid, den man sich manchmal verdienen muss. „Ihr aber, wenn es soweit sein wird / Daß der Mensch dem Menschen ein Helfer ist / Gedenkt unsrer / Mit Nachsicht.“

Zu den großen Zukunftsprojekten im Tal, deren „Machbarkeit“ derzeit heiß diskutiert wird, kann ich mich aufgrund mangelnder Sachkenntnis wenig äußern. Ich weiß nur, dass es in meiner Arbeit oft unvorstellbar erscheint, was uns als Kunstschaffende umtreibt – und sich ebendies dann verwirklicht. Wenn ich mir vorstelle, was ohne Projekte wie Utopiastadt, die Nordbahntrasse oder das kulturelle Erleben in unserer Stadt nicht vorhanden wäre, wird es finster. Sich selbst – persönlich oder als Stadtgesellschaft – Möglichkeitsräume zu schaffen und sie mit Leben zu füllen, unsere „Selbstwirksamkeit“ spüren zu dürfen, gehört zur stärksten Erfahrung von „Sinn“, die wir in unserem Leben machen können.

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