Der Wert von Pausen 9. August 2023 Von Torsten Krug Letzte Woche, frisch aus dem erholsamen Berg-Urlaub zurück im grünsten aller Wupper-Täler, hatte ich gleich eine Probe mit unserer inklusiven Theatergruppe angesetzt. Premiere ist schließlich schon Ende September, und vor den Ferien waren etliche Proben ausgefallen. Diese stand von Beginn an fest im Probenplan. Trotzdem rief ich alle Beteiligten an und erinnerte sie an unser erstes Treffen nach der Sommerpause. Bei einigen hörte ich zaghaft heraus, dass ja noch Ferien seien. Ich sagte, ja, stimmt schon, doch wir müssten die Zeit nutzen! Sie hatten nichts anderes vor, viele waren nicht weggefahren, sie freuten sich auf das Theater – und doch kamen nur etwas über die Hälfte. Es waren schließlich noch Ferien! Torsten Krug - Foto: Andreas Fischer Diese Haltung enervierte mich einerseits, brachte sie doch erneut eine Probe ins Schwanken, doch beneidete ich sie auch dafür. Wäre mein Handeln nicht so stark von gesellschaftlichen Verabredungen, Zwängen oder gesteigertem Verantwortungsbewusstsein geprägt, hätte ich womöglich genauso gedacht: Es sind ja noch Ferien! Da komme ich eben nicht. Da schreibe ich auch keine Kolumne! Na ja, ich schreibe sie natürlich, doch denke ich dabei über den Wert von Pausen nach, die ich sogar ziemlich oft zu erleben meine – und dabei doch nur an das Nächste denke. Letzten Samstag, das erste Teammeeting auf der Insel nach der Sommerpause. Abgesehen von probenden Ensembles und einigen Kursen war es hier tatsächlich einige Wochen ruhiger gewesen. Als ich hervorhebe, wie wichtig mir in diesem Jahr die Pause vorgekommen sei, registriere ich allgemeines Kopfnicken. Als wären wir alle froh gewesen, einmal vom Haken der Verantwortung zu sein – und freuten uns jetzt wieder umso mehr darauf. Vor dem Urlaub war es mir regelrecht schwergefallen, wegzufahren. Nach einer längeren Abwesenheit vom Tal für eine größere Inszenierung war noch so viel zu erledigen. Meine Arbeit war unverzichtbar – sie macht dazu Spaß! Auch gibt es kaum Wichtigeres auf der Welt als unsere kleine große Kulturwelt... Und dann, auf der Rinnerhütte, nach tausend Höhenmetern Aufstieg und Ausblicken mit Frau und Hund, einen Zirbenschnaps und eine Linsensuppe vor mir und chillige Kühe neben uns, die Hund Felix gelassen ignorieren, war endlich einmal alles ganz weit weg. Mittlerweile hat mich die Arbeit wieder eingeholt, wie man so sagt, doch bin ich noch gerne langsam. Und sehne mich nach dem Vergehen nicht verwerteter Zeit in einem Sommerwind. Montag ist der Vorverkauf für unser Festival „Brötz 23!“ gestartet. Ich sitze vor dem Laptop und sehe zu, wie die Buttons zum Ticketerwerb Punkt zehn Uhr aufploppen. Um 10.02 Uhr sind drei Festivaltickets verkauft. Irgendwo auf der Welt (es war Stockholm) musste jemand in diesem Moment wie ich vor dem Bildschirm gesessen und mit mir gewartet haben. Das hat mich beeindruckt – und mit einem Fan verbunden. Die Erfüllung des Wunsches von Peter Brötzmann, ein solches Festival in Wuppertal zu etablieren, ist in greifbare Nähe gerückt. Viele der von ihm noch eingeladenen Musikerinnen und Musiker aus aller Welt werden kommen. Doch einige haben auch abgesagt; für sie kommen neue, meist jüngere Kolleginnen. Zwei von jenen, die abgesagt haben, schrieben: Sie bräuchten noch Zeit – eine Pause. So kurz nach Peters Tod erschiene es ihnen zu schmerzlich, ohne ihn auf der Bühne zu stehen, ihn so sehr vor Ort zu spüren. Das verstehe ich gut – und freue mich doch zutiefst auf dieses Ereignis. Anregungen an: kolumne@fnwk.de 961