Freiräume zum Aushandeln von Gegensätzen und Gemeinsamkeit Im Dialog für Demokratie und Nachhaltigkeit // 7. Mai 2025 Von Uta Atzpodien „Mutig, stark, beherzt“: Von einer riesigen Bühne aus umarmte dieser Song beim Evangelischen Kirchentag 80 000 Teilnehmende. Die ausgelassene Atmosphäre schwappte von Hannover bis nach Wuppertal. Als legendäre Zusammenkunft verband sie die Frage, wie politisch Kirche sein darf. Auf der anderen Seite des Ozeans fand derweil ein riesiges Lady Gaga-Konzert statt, das mit freiem Eintritt 2,4 Millionen Menschen, jeglicher sozialer Herkunft, friedvoll und sichtlich berührt auf dem Copacabana-Strand in Rio de Janeiro zusammenführte. Wie Balsam legten sich solche Eindrücke von gemeinschaftlicher Glückseligkeit auf die ansonsten schon zur Gewohnheit gewordenen grausam-zermürbenden Nachrichten von Kriegen und Regierungen, die sich – demokratisch gewählt – so bizarr wie klar von demokratischen Grundwerten verabschieden. Auch hierzulande heißt es, wachsam auf die Werte zu blicken, die uns zusammenhalten. Uta Atzpodien - Foto: Ralf Silberkuhl Utopiastadt ist seit vielen Jahren ein Ort in Wuppertal, der sich als Demokratielabor engagiert, mit Ambitionen, mit Mut für Experimente und mit Wirkung. Am monatlichen Sonntag der offenen Tür wurde nach einer Podiumsdiskussion das Gespräch im Hutmacher fortgesetzt: Langer Atem ist gefragt bei solchen Aushandlungsprozessen, konkretes Handeln verbunden mit respektvollen Dialogen für gemeinsame Perspektiven. Umso dringlicher ist gerade jetzt, solche Trainingslager für ein Miteinander und Füreinander mitten in der Gesellschaft zu ermöglichen. Häufig sind es Kulturorte, die wertvolle Räume dafür öffnen, um unsere freiheitliche Grundordnung wach und lebendig zu halten. Am Beispiel Berlin zeichnet sich alarmierend ab, was passiert, wenn der rote Stift genau da angesetzt wird. Das Kultursterben ist bereits im vollen Gang. Bundesweit sorgt derweil die Ernennung des Staatssekretärs für Kultur und Medien, Wolfram Weimer, für tiefe Beunruhigung. Als Medienvertreter hat er sich mit seinem „konservativen Manifest“ und fragwürdigen Äußerungen selbst am rechten Rand positioniert. Ja, die Demokratie steht für den Respekt der Unterschiedlichkeit. Zentral bleibt bei allen Gegensätzen, ob die freiheitlichen Grundwerte, die Vielfalt und das dafür so wichtige zivilgesellschaftliche Engagement gewürdigt und finanziell hinterlegt bleiben. Populismus ist dabei kontraproduktiv. Messlatte bleibt, mit allem, was dazugehört, was der Koalitionsvertrag formuliert: „Unser Land soll ein Leuchtturm für freie Kunst und Kultur in der Welt sein“. Mit dem interdisziplinären Kunstfestival „Körperlosen – Schöne neue Welt“, das die Zukunft des Menschseins im digitalen Zeitalter mit Kunstschaffenden wie der Musikerin Gunda Gottschalk, der Tänzerin Annika Kompart, der bildenden Künstlerin Bianca Baierl und vielen anderen thematisierte, verwandelte sich die ehemalige Textilfabrik Henkels in einen kreativen Aushandlungsraum (Artikel auf dieser Seite). Mich hat der Erdüberlastungstag am 3. Mai daran erinnert, wie konstruktiv Kultur und Nachhaltigkeit im Zusammenspiel aktiv sind. Bundesweit wirkt der „Green Culture Desk“. Inspirierend gehen Materialkreisläufe in der Kultur neue Wege, wie es das europäische Greenstage-Vorhaben zeigt. Auf dem Weg nach Berlin freue ich mich auf den 2. Runden Tisch „Nachhaltig produzieren“ des Bundesverbandes Freie Darstellende Künste. In Wuppertal sind „mutig, stark, beherzte“ Vorhaben für das Bürgerinnen- und Bürgerbudget `25 am Start, für die bis zum 11. Mai in der ersten Abstimmungsrunde noch Daumen willkommen sind: so für das „Abpflastern“ für eine Schwammstadt, das Kulturprojekt „Einsamkeit essen Seele auf“, den anti-rassistischen, queerfeministischen Literaturcontainer und so viele mehr. Gerne Feedback an ➜ kolumne@fnwk.de vorheriger Artikel Wider den Horror vacui 172