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Auf der Suche nach Sinn

17. August 2022

Von Torsten Krug

Seit gut einem Jahr entwickeln und proben die Schauspielerin Silvia Munzón López und ich mit der inklusiven Theatergruppe „Bamboo“ ein Stück, das am 29. September in der Färberei seine Premiere haben soll. Ich schreibe bewusst „soll“, obwohl ich daran glaube, dass diese Aufführung stattfinden wird. Denn dieses Jahr Theaterarbeit war so durchwachsen wie die Gesamtlage: immer wieder fielen Proben für längere Zeit aus, waren unsere Spieler verunsichert, wurden krank, sprangen ab, kamen wieder. Für einige aus der Gruppe, die es gewohnt waren, nur im Sommerhalbjahr zu proben, war es eine Zeit lang zu dunkel: bei einsetzender Dunkelheit kamen sie nicht zur Probe. Zuletzt ist ein kleiner engagierter Haufen übrig geblieben – und, das ist die gute Nachricht, in seinen Möglichkeiten mächtig gewachsen: Spielerinnen, die früher eher in der zweiten Reihe standen, blühen jetzt auf und behaupten sich; zum ersten Mal arbeiten wir mehr mit geschriebenem Text, auch mit Film. Gleichwohl setzen wir nach wie vor auf das unnachahmliche Improvisationstalent dieser Gruppe.

Torsten Krug - Foto: Andreas Fischer
Torsten Krug - Foto: Andreas Fischer

Die letzten zwei Jahre haben bei ihnen, die in unserer Gesellschaft noch immer am Rand stehen, tiefe Spuren hinterlassen: depressive Verstimmungen zeigen sich, das gemeinsame Theaterspielen, der Austausch scheinen wichtiger, existenzieller denn je. Personalmangel bestimmt die Arbeit in ihren Wohngruppen, aus denen sie zu uns kommen – oder eben oft nicht zu uns kommen können: Transportfahrten fallen aus, Menschen, die aufgrund ihrer Beeinträchtigung Fachkräfte zur Begleitung brauchen, können nach vielen Jahren „Bamboo“ nicht mehr teilnehmen, weil ihre Begleitung nicht abgedeckt werden kann. Und so thematisieren wir ebendiese Zeit in unserem Stück, tauchen manchmal ab ins Märchen, in den Dornröschen-Schlaf, aus dem es zu erwachen oder jemanden zu retten gilt. Unser Arbeitstitel: „Don‘t stop me now“. Utopie und Dystopie – die Visionen einer besseren und einer zerstörten Welt – beherrschen unseren Alltag wie lange nicht. Und das ist anstrengend. Darunter macht es die Welt momentan nicht. Möglicherweise war es schon immer so. Intensiviert die mediale und globale Vernetzung nur unser Schwanken zwischen Aufbruch und Angst?

Fast schmerzhaft am Puls der Zeit zeigt sich auch Laura Naumans Theatertext „Das hässliche Universum“, dessen Inszenierung am morgigen Donnerstag auf der INSEL im ADA Premiere feiert: Im Zentrum stehen Figuren, die nicht auf Revolution aus sind, sondern schlicht auf der Suche: Wie kann ich richtig handeln, richtig leben in einem Dickicht aus Zwängen und Gegebenheiten? Wie ein Fixpunkt taucht Rosa an ihrem Horizont auf, über Nachrichtenschnipsel und YouTube-Mitschnitte verbreiten sich ihre Botschaften, werden verlinkt, geteilt, kommentiert. Endlich gibt es jemanden, der Haltung zeigt, eine Richtung vorgibt. Zunächst scheint alles noch logisch und machbar, kleine Schritte der Veränderung, hin zu einer besseren Welt. Doch dann passiert ein Anschlag, die Fronten werden unübersichtlich, die Wut steigt. Fast zärtlich wird die Welt in Brand gesteckt; als könnte man sie so auf Null setzen und die Zukunft aus ihrer Asche aufsteigen lassen.

Dieser Impuls scheint mir vertraut. Auch ich sehne mich manchmal nach einem Befreiungsschlag. Doch ist es wohl eher die tägliche Arbeit an dem, was wir für das Gute halten, das gemeinsame Schaffen, nicht nur von Kunst und Kultur, was uns an die Zukunft glauben lässt.

Anregungen und Kritik: kolumne@fnwk.de

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