Wir sind ein Chor Über die gemeinsame Kulturarbeit. Von Torsten Krug Es war eine symbolische Szene vergangenen Samstagabend im Opernhaus: Kurz vor dem Festakt zur Eröffnung des Engels-Jahres waren Akteure und Künstler zu einem gemeinsamen Foto geladen. Ein nicht unbedeutender Teil der Wuppertaler Kunst- und Kulturszene drängte sich im Foyer zusammen wie eine Schafherde – und war trotzdem von keiner der zahlreichen Kameras einzufangen. Torsten Krug - Foto: Andreas Fischer So wie es nicht DIE freie Szene gibt oder DIE institutionalisierte Kultur, repräsentieren wir immer nur einen Ausschnitt, spricht auch diese Kolumnen-Reihe selbstverständlich nicht für DIE freie Szene, nicht einmal für das Freie Netz Werk Kultur, das sich die Vernetzung und Kollaboration eben jener Vielen in Sachen Kunst und Kultur zur Aufgabe gemacht hat. Dennoch sprechen wir manchmal mit einer Stimme. Oder besser: Wir verschaffen uns Gehör als ein lauter werdender Chor. Dass der Etat für die freie Kultur in diesem Jahr um mehr als 80 000 Euro, im kommenden Jahr um 125 000 Euro erhöht sein wird, ist ein gemeinsamer Erfolg vieler Menschen und Initiativen, die sich für ihre Orte und deren institutionelle Förderung stark gemacht haben. Eben diese Orte ermöglichen Künstlerinnen und Künstlern, ihre Arbeit zu verwirklichen, und stärken damit nachhaltig die Kunst- und Kulturszene der Stadt. Es ist ebenso der Erfolg des gemeinsamen Gesprächs von Kulturschaffenden, des Kulturbüros und vieler Politikerinnen und Politiker, denen die Stärkung der Wuppertaler Kultur am Herzen liegt. Dass auch dieses Geld nicht reichen und unser Arbeiten vermutlich weiter prekär bleiben wird, steht auf einem anderen Blatt. Der wichtige Punkt, welcher oft übersehen wird, ist: Der große Topf, und damit auch der Topf für alle Einzelnen, ist so deutlich gewachsen, weil der Bedarf da ist, und weil wir gemeinsam dafür gekämpft haben. Im Rahmen einer öffentlichen Gesprächsrunde vergangene Woche in der ersten Etage des Ada bringt es Dr. Daniel Lorberg, Leiter von „solar decathlon europe“, auf den Punkt: Die Luisenstraße ist nicht deshalb so toll, weil es dort ein hervorragendes Lokal gäbe, sondern weil es dort besonders viele (und besonders schöne) Lokale gibt. Das Mirker Quartier (und das gesamte Wuppertal) hat kein Problem mit zu vielen konkurrierenden Institutionen, sondern mit einer fehlenden Dichte. Schaut man sich die Pläne von Studierenden jenes weltweiten Architektur-Wettbewerbs zum Quartier an, sieht man große Verbindungslinien zwischen Kulturorten, Cafés, sozialen Einrichtungen; dazwischen: viel mehr Grün als heute, weniger Autos und viele, viele Menschen, die sich im öffentlichen Raum bewegen und begegnen. Als Zugezogener begegnet mir immer mal wieder die Auffassung, die Wuppertaler Kulturschaffenden kochten gerne ihr eigenes Süppchen. Kooperation, gegenseitige Unterstützung und Solidarität seien dem Bergischen Typus eher fremd. Ich kann das nur wenig bestätigen. Zumindest in den letzten Jahren und Monaten habe ich den Eindruck, dass die vielen Bemühungen in Sachen Kultur sich gegenseitig stärken und inspirieren. Im Rahmen des „Probewohnens“ von Insel e.V., das ich nun doch erwähnen muss, weil es mich so erfüllt, kamen jeden Tag und jeden Abend Menschen vorbei, die uns ihre Unterstützung anboten, ihre Ideen, ihre Neugier, ihre besonderen Begabungen mit uns teilten. Die Kraft dieser Woche werden wir mitnehmen. Es wird ja noch schwer genug werden. 3445 Weitere Informationen WZ KolumneDiese Kolumne in der Westdeutschen Zeitung