Kultur: Brotlose Spiele? „Kunst ist schön“, heißt es bei Karl Valentin, „macht aber viel Arbeit“ // 13. August 2025 Von Torsten Krug In den Monaten vor den Kommunalwahlen ist hier und da von der Kultur die Rede. Kunststück, gilt sie doch als Aushängeschild, manchen sogar als Motor des in Transformation begriffenen Tals, als lokaler Glanz, der bis in die bundesweite Berichterstattung strahlt. Auch die WZ bringt bis zu den Wahlen eine neue Reihe, in der Positionen der freien Kultur porträtiert werden. Das ist ein guter Impuls. Im eröffnenden Text taucht gleich zweimal der Begriff „brotlos“ auf, eine beinahe reflexartig zugeschriebene Eigenschaft der Kunst, welche sie wohl adeln soll: Wenn man mit ihr reich würde, würde es ja jeder machen wollen. Torsten Krug - Foto: Andreas Fischer Johann Peter Hebels Kalendergeschichte „Brotlose Kunst“ erzählt von einem „Tagedieb“: Während „ehrliche Eltern und Kinder allerorten etwas Nützliches arbeiten und ihr Brot mit Ehren verdienen“, hat dieser sich in der Kunst geübt, „in einer ziemlich großen Entfernung durch ein Nadelöhr kleine Linsen zu werfen. Das war eine brotlose Kunst. Doch lief es auch nicht ganz leer ab. Denn als der Linsenschütz unter anderem nach Rom kam, ließ er sich auch vor dem Papst sehen, der sonst ein großer Freund von seltsamen Künsten war, hoffte, ein hübsches Stück Geld von ihm zu bekommen, und machte schon ein paar wunderliche Augen, als der Schatzmeister des Heiligen Vaters mit einem Säcklein auf ihn zuging, und bückte sich entsetzlich tief, als ihm der Schatzmeister das ganze Säcklein anbot. – Allein was war darin? Ein halber Becher Linsen, die ihm der weise Papst, zur Belohnung und Aufmunterung seines Fleißes, übermachen ließ, damit er sich seiner Kunst noch ferner üben und immer größere Fortschritte darin machen könnte.“ Ähnlich scheint es bis heute im öffentlichen Bewusstsein um die Kunst zu stehen. Auch die WZ spricht von „brotlosen Leidenschaften“ und möchte der Frage nachspüren, warum Künstlerinnen und Künstler „trotz allem das tun, was sie tun, und nicht längst einen Brotjob angenommen haben“. Das wird der Tatsache nicht gerecht, dass in dieser Stadt hoch qualifizierte Menschen ihrer professionellen Arbeit nachgehen und dafür (oftmals) zu wenig monetäre Würdigung erhalten. Die Finanzierung von Kunst und Kultur ist immer eine Angelegenheit der Öffentlichkeit. Selbst wenn 80 000 Menschen bis zu 400 Euro für ein Coldplay-Ticket bezahlen, ist die öffentliche Hand mit im Spiel, baut sie Verkehrswege und Infrastruktur, die dieses „Event“ ermöglichen. Jede Theaterkarte, jeder Sitzplatz im Opernhaus ist mit unseren Steuergeldern gesponsert, genauso wie der Platz im Fußballstadion, das Bett im Krankenhaus oder (absurd!) die Wurst an der Fleischtheke. Für oder gegen die Finanzierung all dieser Dinge entscheiden wir uns als Gesellschaft, weil sie uns wichtig sind, wie Spielplätze, Schulen oder die Feuerwehr. In einer städtischen Kulturinstitution bedeuten fast 90 Prozent der Etats Personalkosten. Als die Stadt Berlin neulich ihren Theatern zehn Prozent kürzen wollte, machten diese auch gleich deutlich, dass dann ziemlich genau null Prozent für die Kunst bliebe, da dieser Anteil der Finanzierung fehlte. Die Kürzungen kamen dann nicht ganz wie angedroht. Kulturelle Institutionen der freien Szene sind (leider) nicht in dem Maße durch hohe Personalkosten belastet wie städtische Kulturinstitutionen. Ihr Personal ist „brotloser“, wenn man so will. Gleichzeitig erbringen sie den größten Teil des kulturellen Angebots. „Kunst ist schön“, heißt es bei Karl Valentin, „macht aber viel Arbeit“. Die Frage ist also: Wollen wir sie bezahlen? Anregungen an ➜ kolumne@fnwk.de 369