Hat Kunst einen Selbstzweck oder dient sie doch viel mehr? Selly Wane über die Bedeutung von Kunst und was Kunst für sie bedeutet. // 26. August 2020 Von Selly Wane Vor einigen Wochen, bei einem schönen Spaziergang, fragte mich meine gute Freundin Marina, was mir Kunst bedeutet und welche Rolle sie für mich spielt. Diese Frage machte mich perplex, da ich mich nie als Künstlerin verstanden habe, sondern eher als Mittlerin zwischen Menschen, Milieus und Kulturen. Damit waren wir mitten in einer Debatte angekommen, die schon lange spaltet und auch unter guten Freunden für viel Gesprächsstoff sorgte: hat Kunst einen Selbstzweck oder hat sie einen gesellschaftlichen Auftrag? Selly Wane – Foto: Stefan Fries Kunst lebt einerseits von der Freiheit, sich authentisch ausdrücken zu können, losgelöst von jeglichem Erwartungsdruck, von der Fähigkeit, sich vom Blick des Betrachters zu emanzipieren. Kunst entsteht, wenn die Kreativität absoluten Freilauf hat und Selbstentfaltung gegeben ist. Kann und darf man aber die Kunst auf diesen Freiheitsanspruch reduzieren? Führt dieser absolute Anspruch, keinen Auftrag zu haben, nicht zur Selbsteinschränkung? Ist das Kunstschaffen nicht viel mehr als das? Gerade die Kunst entsteht aus einem Gefühl und aus dem Wunsch, diesem Ausdruck zu verleihen. Kunst entsteht durch Begeisterung, aus Wut, aus Liebe! Kunst zu schaffen ist ein Befreiungsakt, eine Form, Schmerz, Angst, Glücksgefühle zu bewältigen. Wie kann absolute Freiheit gegeben sein, wenn Gefühle im Spiel sind? Was wäre die Kunst, wenn Kunstschaffende sich von ihren Gefühlen abkoppeln müssten? Ich glaube an die Macht der Veränderung durch Kunst. Kunst beeinflusst nicht nur unseren Blick für Ästhetik, sondern den Blick auf unser Inneres, auf unsere Umwelt. Durch die Kunst schaffe ich eine Verbindung zu einer anderen Welt, zu anderen Menschen, und erweitere meine Identität: aus „anderen und ich“ entsteht ein „Wir“. Kunst ist aber auch ein mächtiger Vektor, um Annäherungsprozesse zwischen Ländern des Nordens und des globalen Südens zu initiieren und ökonomische Ungleichheiten zu reduzieren. Gerade Länder des Südens müssen sich Kapital zu kostspieligen Zinssätzen leihen. Die Höhe dieses Zinssatzes wird weitgehend von ihrer Benotung durch Rating-Agenturen bestimmt. Dabei ist es entscheidend, dass dieser Zinssatz so niedrig wie möglich bleibt, um eine Überhäufung von Schulden, die womöglich nicht mehr zurückgezahlt werden können, zu vermeiden. Oft ist aber die Benotung dieser Länder weniger ihrer Wirtschaftskraft, sondern eher ihrer Wahrnehmung durch Ratingagenturen geschuldet. Diese Wahrnehmung beruht dabei selten auf fundierten Kenntnissen und auf Einblicke von innen. Sie basiert vor allem auf dem Image und auf der Reputation dieser Länder. Stellen wir uns einen kurzen Augenblick vor, wie es wäre, wenn der Senegal sich für seine großartige Kunstszene stark machen würde und auf einmal dafür bekannt wird? Hätte diese Tatsache wirklich keinen Einfluss auf seine Benotung, wenn diese von Afrika- und kunstbegeisterten Rating-Agenten bei Moody’s oder Fitch vorgenommen wird? Der Glaube an die Macht der Veränderung durch Kunst und Kultur ist es, was mich bewegte, Swane-Design und Swane-Cafe ins Leben zu rufen. Ich bin fest überzeugt, dass aus dem Kunstmilieu in Ländern des Südens starke Impulse entstehen können und aus der lokalen Szene in Wuppertal kulturübergreifende Begegnungen möglich sind. vorheriger Artikel NRWweit: Wie geht es weiter mit Kunst und Kultur? 4715 Weitere Informationen WZ KolumneDiese Kolumne in der Westdeutschen Zeitung