Nach dem Applaus 26. November 2025 Von Torsten Krug „Applaus ist das Brot des Künstlers“, heißt es gelegentlich mehrdeutig. Von der weit älteren Redewendung der „brotlosen Kunst“ war an dieser Stelle bereits die Rede. Torsten Krug - Foto: Andreas Fischer Anfang letzter Woche fuhren sechs Menschen aus Wuppertal nach München, um an der diesjährigen Verleihung des Bundeskulturpreises Applaus-Award teilzunehmen. Sechs Menschen, drei aus dem Loch, drei von der Insel, die an diesem Abend mehrfach zu hören bekamen, wie ungewöhnlich stark doch Wuppertal immer wieder vertreten sei – manche Bundesländer kommen gerade auf einen Preisträger. Und in Wuppertal hätte es noch mehr Kandidaten gegeben. Wir sechs also repräsentierten in München nicht nur unsere Kulturorte, sondern auch unsere Stadt. Solche Ereignisse sind schön und wichtig. Die Szene feiert sich und wird gefeiert, verdient sich Lorbeeren, die im Alltag oft schnell verblassen. Im Vorfeld war durchaus diskutiert worden: Welche Haltung sollten wir Wolfram Weimer gegenüber einnehmen? Ich persönlich habe dazu zwei Gedanken. Der erste: Wenn wir als Kulturort mit diesem Preis ausgezeichnet werden, nach München fahren und die Urkunde samt Preisgeld annehmen, welche vom Staatsminister für Kultur und Medien unterzeichnet ist, wäre es inkonsequent, beispielsweise ein Foto mit ihm zu verweigern. Er selbst ging dieser Möglichkeit dann wohlweislich aus dem Weg, indem er der Fotowand fernblieb. Der zweite Gedanke scheint mir noch wichtiger: Ein Problem, an dem unsere Demokratie unter anderem krankt, scheint doch, dass die demokratischen Kräfte zu wenig ihre Gemeinsamkeiten pflegen. Das Prinzip der Spaltung regiert allerorten. Herr Weimer mag Positionen haben, die ich persönlich oder viele aus der Kulturszene nicht teilen, ablehnen oder diskussionswürdig finden – doch er ist Demokrat. Selbstverständlich hätte sich niemand von uns neben einen Politiker jenseits des demokratischen Spektrums gestellt, doch dann hätten wir einen solchen Preis auch nicht angenommen. Ein wenig bang wurde mir daher, als einer seiner Vorredner Weimer begrüßte und der Saal verstummte – kein Applaus nirgends. Wie würde er gleich auf der Bühne empfangen werden? Ein Buhkonzert schien mir im Bereich des Möglichen, hätte mich aber enttäuscht, da es den Diskurs untergraben und lediglich Vorurteile auf beiden Seiten verfestigt hätte. Stattdessen geschah etwas Überraschendes: Herr Weimer sprang zu früh auf die Bühne, noch vor seinem Einspieler, trat ans Mikro und sagte, er habe soeben sein Manuskript beiseitegelegt; was diese Veranstaltung jetzt am wenigsten brauche, sei eine dritte Politikerrede. Stattdessen erzählte er, dass er, soeben aus Leipzig kommend, zwei neu entdeckte Orgelstücke von Bach gehört und dies für ihn etwas Heiliges gehabt habe. – Und das, was wir, die wir da alle versammelt saßen, machten, sei ebenfalls etwas Heiliges. – Da hielten einige den Atem an. Nur wenige feixten. Einen Augenblick schien mir, als nehme er etwas mit von dieser Veranstaltung – jenseits von Applaus, den er dann doch bekam –, als wäre hier eine Verbindung entstanden. Zurück im Tal erreicht uns die nüchterne Realität. Ein Applaus tut gut, doch das Schlimme ist: er tut Not. Ohne die Preisgelder könnten aktuell weder LOCH noch INSEL ihre Arbeit fortführen. Andere, die keinen Preis erhalten haben, stehen vor ernsten Problemen. Als Stadt müssen wir jetzt endlich der gemeinsamen Verantwortung gerecht werden und der aufregenden, deutschlandweit strahlenden Kulturszene Wuppertals das geben, was sie verdient: dickes Brot! Anregungen an ➜ kolumne@fnwk.de vorheriger Artikel Nichts kommt aus dem Nichts, denn auch Kunst machen ist Arbeit 274