Einen Nachlass einzuordnen, erfordert Distanz und Hingabe Künstlerisch denkende Menschen sind wichtig für den Zusammenhalt // 28. Mai 2025 Von Tine Lowisch Die Kulturkolumne des Kollegen Max Christian Graeff vergangene Woche habe ich (wie immer) aufmerksam gelesen. Diesmal hat mich, unter anderem, die Idee über die Einrichtung einer Arbeitsstelle für das Zutagefördern und Verwerten von Rohstoffen aus Produkten der Kunst und Kultur zum Weiterdenken angeregt. Tine Lowisch - Foto: Claudia Scheer van Erp Wenn ich ihn richtig verstehe, geht es bei diesem „urban mining“ um die Wertigkeit künstlerischer Arbeit, im Hinblick auf die Wiederverwertbarkeit, der zuvor verwendeten Rohstoffe. Mal sehen … übertragen auf Wuppertal, müsste sich dann also vielleicht eine städtische oder eine institutionell geförderte und personell gut aufgestellte Aufbewahrungs- und Sichtungsstelle für künstlerische Nachlässe Wuppertaler Künstlerinnen und Künstler engagieren. Das ist tatsächlich mal eine wirklich gute Idee. Aber auch eine sehr herausfordernde und verantwortungsvolle Aufgabe. Ich habe immer dafür plädiert, dass die Aufgabe, den Nachlass zu regeln, dem kunstschaffenden Menschen selbst zufällt. Denn, wenn es dafür aus vielerlei Gründen zu spät sein sollte, ist dies eine Beschäftigung mit Erinnerung, die die Nachkommenden nicht nur emotional oft überfordert. Einen künstlerischen Nachlass einzuordnen, erfordert professionelle Distanz bei gleichzeitig empathischer, altruistischer Hingabe. Für diese wichtige Arbeit brauchte es da vor allem kunstaffine Menschen, die aus meiner Sicht kaum eigene künstlerisch-produktive Ambitionen haben sollten. Und die sind hier bei uns in Wuppertal wirklich schwer zu finden. Dabei auf der Suche, weil oft auf dieses Thema angesprochen, bin ich übrigens dann immer wieder positiv überrascht, wenn sich in Gesprächen herausstellt, wer alles künstlerisch aktiv ist und war. Für mich ist dieses Phänomen tatsächlich mit ein Grund, warum ich mich in Wuppertal mein Leben lang schon so wohl fühle. In anderen Städten gibt es natürlich auch jede Menge Künstler, aber wir haben hier, finde ich, ein wirklich besonders tragfähiges Gefühl dafür entwickelt, wie wichtig künstlerisch denkende und handelnde Menschen für den Zusammenhalt einer Stadt im Wandel sind. Wer jetzt denkt: Das sind doch Worthülsen, es fehlt hier doch wirklich an allen Ecken und Enden. Wer jetzt mit schweren Gedanken weiterliest, dem empfehle ich einen Besuch in der Kunsthalle Barmen. Wir waren am Sonntag da und Sie haben noch den ganzen Sommer über Zeit (noch bis zum 31. August 2025, bei freiem Eintritt mit inhaltlich aufschlüsselndem Begleitprogramm). Besonders begeistert mich das DIN-A4-Heft, der Raumplan für Kinder und Familien in einfacherer Sprache, der diese zugegebenermaßen dystopische Ausstellung mit teils schwer zu bewältigenden Inhalten vielleicht zu einer anderen Art Escape-Raum macht. Kunst braucht interessierte Besucher! Wie einfach das gehen kann, haben wir am Wochenende davor im Kölner Dom erlebt. Im Rahmen des auch dort laufenden Festivals: Internationale Photoszene Köln 2025 hat mich der Beitrag des Domstein-Experiments des Künstlers André Galeano in Kooperation mit der Dombauhütte und der ESA begeistert. Der Künstler kann sich im Kölner Dom über Besucher aus aller Welt einfach nur freuen. Ein Domstein im Weltall, 2014 im persönlichen Handgepäck des ESA-Astronauten Alexander Gerst transportiert – als Kunstaktion aufbereitet, dazu eine christliche Erste Kommunion und rundherum überall interessierte, internationale Touristen. Einfach wunderbar! Feedback bitt an ➜ kolumne@fnwk.de vorheriger Artikel Die holde Kunst ist eine Kreislaufwirtschaft 215