Es ist Zeit, Diversität und Nachhaltigkeit zusammenzuführen Zusammenhänge zwischen Kunst, Kultur, Politik und Demokratie // 15. Juni 2022 Von Uta Atzpodien Uta Atzpodien - Foto: Ralf Silberkuhl Es ist Zeit: Inmitten des zerstörten, in Trümmern liegenden Charkiws tanzen Jugendliche einen Walzer, ihren Abiball: Soldaten stehen am Rand, die Eltern filmen das Szenario. Wie kaum ein anderer Moment hat mich dieser Reigen letzte Woche berührt, Mitgefühl und einen großen Schmerz ausgelöst. Kinder und so viele Menschen wurden schon und werden immer noch ihrer Zukunft beraubt. Welch kraftvolles Zeichen ist es, sie in diesem performativen Gefüge zu sehen? Es wirkt so, als ob sie tiefe Wunden in ihrem Leben nach außen tragen, der Welt zeigen, und zugleich beginnen, sie zu verarbeiten, der brutalen Zeit etwas entgegenstellen. Auf dem 11. Kulturpolitischen Bundeskongress „Die Kunst der Demokratie“ in Berlin brachte die ukrainische Künstlerin Kateryna Miščenko diesen Clip ein und knüpfte an die Eröffnungsrede von Kulturstaatsministerin Claudia Roth an, die jüngst mit einem Spektrum an tief aufreibenden Erfahrungen von ihrer Reise nach Odessa zurückgekehrt war. Der Klimawandel hält die Dringlichkeit vor Augen Mit flammenden Worten verwies Claudia Roth darauf, dass Kunst und Kultur „ein Lebenselixier“ sein können, eine „Stimme der Demokratie“. Sie forderte „Offenheit für Einflüsse, für Formen und Stile“ ein, „einen erweiterten Kulturbegriff“. An zwei Kongresstagen wurden die aufschlussreichen Zusammenhänge zwischen Kunst, Kultur, Politik und Demokratie diskutiert. Vieles wird mich weiterhin bewegen: Ist unser repräsentatives System wahrhaft noch repräsentativ? Welche Herausforderungen und konstruktiven Ansätze gibt es für eine Erneuerung der Demokratie, für Kollaborationen, Teilhabe, Experimentierfelder, lokal, global, planetar? Die mit dem Klimawandel ablaufende Sanduhr unserer Existenz hält uns die Dringlichkeit vor Augen. Claudia Roth endete mit den Worten, wie dringend notwendig es ist, Diversität und Nachhaltigkeit endlich zusammenzuführen. Ja! Zurück in Wuppertal tauchte ich in mein Viertel, in das Ölbergfest ein. Wie eine Welle schwappte es durch die Straßen: Ähnlich wie auch auf dem Kongress, war die Freude groß, endlich mal wieder beisammen zu sein. Trotz Kommerz, zu vollen und lauten Straßen erlebte ich schöne und skurrile Momente und Menschen, einfach wunderbar, die Schlagzeugerin auf der Straße, die umherziehend tanzenden afrikanischen Musiker, meinen Kollegen Jens, der hingebungsvoll Gesichter und Arme der Kinder bemalte. Auf dem Schulhof der Marienstraße, in dem das Künstlerinnen-Netzwerk YAYA Musik auflegte, war es eine Offenbarung, die Menschen unterschiedlicher Kulturen und allen Alters miteinander zu erleben, voll quirliger Freude, spielerisch, ausgelassen. Das war mein Wuppertal in seiner Vielfalt, wie wir sie bisher viel zu selten erleben, sei es in den herkömmlichen Kulturinstitutionen, der Verwaltung, den Unternehmen und an anderen Orten. Bald, am 29. Juni, wird sich der 24. Jour fixe #Chance Diversität um 19 Uhr im Café Swane dem Thema widmen. Viel ist los, die Richtung stimmt: Jetzt erstmal zeigen auf dem faszinierenden Solar Decathlon Europe 21/22 bis zum 26. Juni junge Architekturstudenten aus der ganzen Welt ihre Kreationen: „Architektur trifft Klimaschutz“. Am kommenden Freitag ist der Architekt, Designer und Schriftsteller Friedrich von Borries bei Literatur auf der Insel im Café Ada zu Gast, mit seinem Buch „Fest der Folgenlosigkeit“. Vergessen werden darf bei allem die soziale Nachhaltigkeit nicht: Wie kaum ein anderes Werkzeug kann kulturelle Bildung zum Empowerment beitragen: Am nächsten Sonntag, dem 19. Juni, äußern sich junge Menschen mit Gedichten, Filmen, Poetry Slam, Musik und Theaterszenen auf dem „festival against war and racism“, ab 19.30 Uhr in der Glashalle des Solar Decathlon. Anregungen und Feedback gerne an: kolumne@fnwk.de 1720