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Kunst am Bau als experimenteller Traumjob

Von Vohwinkel nach Schweden // 8. März 2023

Von Tine Lowisch

Seit Jahren bereiten mein Mann und ich uns in der Kunststation Wuppertal am Bahnhof Vohwinkel schon auf die Teilnahme an einem Kunstexperiment in Schweden vor. Auf das „Kunst am Bau“-Projekt: Eternal Employment (Festanstellung für die Ewigkeit), das die schwedische Stadt Göteborg in einem gemeinsamen Ideenwettbewerb mit ihrer Kunstbehörde und ihrer Verkehrsbehörde ausgewählt hat, um einen Bahnhof, der neu gebaut werden soll, künstlerisch zu gestalten.

Tine Lowisch - Foto: Claudia Scheer van Erp
Tine Lowisch - Foto: Claudia Scheer van Erp

Das Kunstprojekt des Künstler-Duos Simon Goldin und Jakob Senneby, das die Jury in Schweden überzeugt hat, bietet sehr viel mehr als Skulpturen, Wand- oder Lichtkunst. Es bietet eine Festanstellung bis ans Lebensende, an die keine Bedingung geknüpft ist, als ein gesellschaftliches Experiment. Das hört sich nach einem echten Traumjob an, der meiner Meinung nach nur von einem Künstler oder einer Künstlerin erledigt werden kann. Also nach einem Job, den wir in der Kunststation bereits leidenschaftlich testen.

Wir machen ihn bisher unentgeltlich, auch aus Dankbarkeit für das nachhaltige Vertrauen in das Fünf-Nischen-Projekt auf dem Bahnhofsvorplatz in Vohwinkel. Vielleicht haben wir uns ja, ohne es zu wissen, damit schon für diese Festanstellung fürs Irgendwastun in Schweden empfohlen. Und so auf eine Stelle beworben, die es, als wir mit unserer Kunststation in Vohwinkel starteten, als Konzept noch gar nicht gab.

Egal. Hauptsache, wir werden gefunden, denn gesucht wird ein Mensch, der sich bereitwillig zum Kunstobjekt machen lässt, mit der Zielsetzung, dass er das vorherrschende Verständnis von Wachstum, Fortschritt und Produktivität innovativ und humorvoll prüft und hinterfragt. Denn, um gut vorbereitet zu sein, sollte heute schon substanziell an der Frage gearbeitet werden: Wie geht der Mensch im Zuge der Digitalisierungsprozesse mit Freizeit um? Schon nächstes Jahr können wir uns offiziell auf diese Stelle des „ewigen Angestellten“ bewerben.

Unser erster Arbeitstag als Künstlerpaar im Dienst an der Öffentlichkeit mit Jahresurlaub und Rentenanspruch wäre Anfang 2026. Im Grunde können wir also nur noch zirka zwei Jahre unsere künstlerischen Aktivitäten am Bahnhof Vohwinkel versprechen, denn die Saison 2025 planen wir ein, um uns auf unser neues Leben in Schweden vorzubereiten. Zeitlich passt das genau, denn ich rechne schon bald mit einem Investor, der unseren Bahnhof gemeinsam mit der Bahnentwicklungsgesellschaft (BEG) und dem Team der Bundesgartenschau 2031 als Empfangsgebäude für das ausgewiesene Kernareal 1 fit macht, damit diese Kathedrale der Mobilität ihre angedachte Funktion auch weiterhin angemessen erfüllen kann.

Jetzt, kurz vor unserer zehnten Saison, in die wir mit der Ausstellung „Kurz vor dem Boden der Tatsachen“ starten wollen, üben wir uns schon einmal darin, wie es wohl sein wird, den Staffelstab weiterzugeben, denn unsere Tochter Aenne übernimmt für diese junge Ausstellung die Kuration. Sie kennt die besonderen Bedingungen, die vor Ort zu beachten sind, schon seit ihrer Kindheit. Der von ihr ausgesuchte Künstler Joshua Behr bekommt bei uns seine erste Solo-Show, die nächsten Samstag um 18 Uhr eröffnet wird.

Wir pflanzen also, indem wir die nächste Generation einfach mal machen lassen, schnell noch ein Bäumchen und zeigen, nur für den Fall, dass diese Ausstellung für die Kunststation Wuppertal unter Umständen die letzte sein sollte, so noch einmal unsere ganze Dankbarkeit dafür, dass wir einen Leerstand in der Peripherie als experimentelles „Kunst am Bau“-Projekt und als Freiraum nutzen dürfen.

Ideen und Feedback zu den Kolumnen: kolumne@fnwk.de

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