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In unserer Mitte

Eine Erinnerung an Menschen, die aus Syrien geflüchtet sind // 11. Dezember 2024

Torsten Krug

Vom September 2015 bis ins Frühjahr 2016 hinein waren syrische Geflüchtete einmal im Monat einer Einladung der Wuppertaler Bühnen und der Initiative „In unserer Mitte“ gefolgt, um mit den Autoren Christiane Gibiec, Dieter Jandt, Dorothea Müller, Hermann Schulz und mir zu arbeiten. In dieser Schreibwerkstatt bekamen sie Gelegenheit, ihre Geschichten von Flucht, Vertreibung und vom Aufenthalt in Deutschland zu erzählen und aufzuzeichnen.

Torsten Krug - Foto: Andreas Fischer
Torsten Krug - Foto: Andreas Fischer

Entstanden ist ein Panorama erzählter Schicksale, bewegende Zeugnisse im Sinne einer „oral history“, die mir nun, angesichts der umstürzenden Ereignisse in Syrien, wieder in den Sinn kommen: Um mich sitzen fünf junge Männer zwischen zwanzig und Mitte dreißig sowie Helîm Yûsiv, syrisch-kurdischer Schriftsteller und seit 2000 als politischer Flüchtling in Deutschland, der für uns aus dem Arabischen und Kurdischen übersetzt.

Später am Abend kommt er noch einmal zu mir. Er wirkt jetzt aufgeregt.

Auf den Bildschirm seines Handys holt er mit schnellen Bewegungen ein Video: ein Kameraflug über eine vollkommen zerstörte Stadt, die staubhellen Überreste der Häuserfassaden ragen wie hohle Zähne in den Himmel. Ich kenne die Aufnahmen.

In den letzten Tagen hatte dieser Drohnenflug über eine ausgebombte und verlassene wirkende syrische Stadt im Netz kursiert und mich tief bewegt.

„I know this“, sage ich zu ihm. „Berlin, 1945“, antwortet er trocken und wischt weiter. Ach so ... Ich folge dem zitternden Kamerablick durch die Ruine eines Hauses, auch hier scheint alles hell vom Staub. „What is this?“, fragt er mich, seine Stimme wird lauter. Ich sehe nichts als Steine, Staub. „This is my house!“, sagt er.

Später erfahre ich: Er und seine Frau, eine Architektin, hatten es selbst entworfen, erst wenige Monate zuvor war es fertig geworden. „Here, you see?“, fragt er mich. Die Handykamera hält auf die Überreste eines hölzernen Instrumentencorpus`. „This is my Cello!“ Ich nicke nur, möchte ihm meine Hand auf die Schulter legen, tue es nicht. „Thank you“, sagt er mit einem traurigen Lächeln, nickt ebenfalls und verschwindet wieder in der Menge.

Ich muss an einen „Spruch“ von Bertolt Brecht denken: „Das ist nun alles und’s ist nicht genug. // Doch sagt es euch vielleicht, ich bin noch da. // Dem gleich ich, der den Backstein mit sich trug // Der Welt zu zeigen, wie sein Haus aussah.“ Fast alle, mit denen ich spreche, fühlen sich in Deutschland in Sicherheit.

Zumindest die monate-, manchmal jahrelange Angst hat ein Ende. Einmal sagt einer auf Deutsch sogar „Deutschland Geborgenheit“. Das erstaunt mich. Doch viele belastet die Gefahr und das Leid, denen ihre zurückgebliebenen Familienmitglieder ausgesetzt sind.

Am Ende eines Treffens lerne ich einen Apotheker kennen. Er habe Hunderte von Fotos gespeichert und archiviert, aus seiner alten Heimat, von seiner Flucht. Ob uns das interessiere, fragt er. Natürlich, sage ich. Dann sagte er etwas, das mich an den viel zitierten Anfang von Tolstois „Anna Karenina“ (mit den glücklichen und unglücklichen Familien) erinnerte und das mich bis heute beschäftigt: „Die Geschichten von unserer Flucht ähneln einander alle. Davor hatte jeder von uns ein Leben auf seine eigene Weise.“

Anregungen an kolumne@fnwk.de

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