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Wie mir „die Alten“ die Hand reichten

Von Torsten Krug

In der ersten abendfüllenden Lesung der aktuellen Literatur Biennale teilte John von Düffel mit seinem Publikum die Beobachtung, dass im Verhältnis der Generationen zueinander sich etwas verkehrt habe: Konnten früher die Älteren zu den Jüngeren etwa sagen „Diese Erfahrung wirst Du auch noch machen“, so machten die Heranwachsenden heute Erfahrungen, die bereits Mittvierziger niemals mehr machen würden. Die Jungen — bedingt durch die Digitalisierung unserer Welt — hätten den Älteren etwas voraus, und nicht mehr, wie früher, umgekehrt.

Torsten Krug - Foto: Andreas Fischer
Torsten Krug - Foto: Andreas Fischer

Meine ersten Schritte als zugezogener Kulturschaffender in die Kulturlandschaft Wuppertals tat ich an der Hand von Alten. Karl Otto Mühl, den ich bis dato nicht kannte, wurde mein Darsteller in einem Musik-Clip, den ich für die Oper Gelsenkirchen drehte. Kurz darauf stellte er mich seinem Freund Hermann Schulz vor. Beide trafen und treffen sich bis heute fast allmorgendlich zur Kaffeerunde, an der ich gelegentlich teilnahm. Sie nahmen mich mit zu Sitzungen des regionalen Schriftstellerverbandes. Wir trafen uns oft zu dritt, gaben uns Ratschläge zu allen möglichen Themen, hörten uns zu und genossen den gegenseitigen Austausch. So ist das, wenn es die Zeit zulässt, bis heute. Die 35 bis 50 Lebensjahre Abstand waren und sind uns nur selten bewusst.

Erst viele Jahre später, genau genommen vor einem Jahr, knüpfte mein Netzwerk neue Maschen mit Kulturschaffenden meines Alters und jünger, im neu sich formierenden Freien Netz Werk Kultur. Manchmal ertappe ich mich dabei, wie ich auf Diskussionen, auf gemeinsames Planen und Arbeiten mit den Augen eines Alten zu blicken scheine. Das mag merkwürdig oder gar anmaßend klingen von einem Mittvierziger, doch ich merke, wie tief mich die Begegnung mit „meinen Alten“ geprägt hat, die so viel Wasser die Wupper haben runterfließen sehen, mir den Horizont geweitet, mich inspiriert, beruhigt und angeregt hat. Es wird mir bewusst, wie ich den Begriff Netzwerk verstehe: Es geht nicht darum, möglichst viele zu kennen, sondern darum, wer einem die Hand reicht.

Hermann Schulz war und ist für mich ein Vorbild. Er packt die Dinge an, zieht, wie er selbst es gerne beschreibt, als Kaltblut im Acker seine Furchen, langsam, gemütlich, aber zäh und ausdauernd. Er kann Menschen begeistern, unterstützt seine Freunde, wo immer er kann. Dann wieder packt ihn die Unruhe, will er nach Hause, „sein Lebenswerk schreiben“. Kunststück: einer, der erst im Rentenalter als Schriftsteller hervortrat und international Aufmerksamkeit erregt, der voller Geschichten steckt, die erzählt werden wollen. Hermann Schulz ist bis heute ein Lernender.

Die Perspektive des jungen Menschen, des Heranwachsenden ist fast allen seinen Geschichten eigen. „Manchmal denke ich“, so Schulz, „dass die Erfahrungen bis zum zwölften Lebensjahr vielleicht die wichtigsten Dramen enthalten, die später unser Leben bestimmen. Ich habe nie überlegt, ob ich ein Kinder-, Jugend- oder Erwachsenenbuch schreibe. Die Frage war für mich immer, welche Perspektive zu der Geschichte passt. In der Sicht von Kindern habe ich mich immer besonders zu Hause gefühlt, weil es meine eigene ist“.

Am Dienstag bekam Hermann Schulz die Ehrendoktorwürde der Bergischen Universität verliehen. Lasst uns immer wieder von den Alten lernen. Und: Herzlichen Glückwunsch, Dr. honoris causa Hermann Schulz!

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