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Kulturmigration

Liebesbrief einer Zugezogenen an die Wuppertaler Kulturszene // 23. Juli 2025

Von Charis Hoffmann

Jede ICE-Fahrt durch Wuppertal klebte ich am Fenster, den Verlauf der Schwebebahn verfolgend, die ich hin und wieder erhaschte. Ich weiß nicht mehr genau, woher mein Eindruck kam, vielleicht von einem Woga-Besuch, als der Hauptbahnhof noch ein Labyrinth war. Aber schon aus der Ferne wirkte die Wuppertaler Kulturszene roh, „edgy“ und lebendig.

Charis Hoffmann - Foto: Ralf Silberkuhl
Charis Hoffmann - Foto: Ralf Silberkuhl

Diese Wahrnehmung war entscheidend, als ich die Möglichkeit hatte, eine Stelle hier anzunehmen. Oh, wie richtig dieser Eindruck war.

Ich bin auf drei Kontinenten aufgewachsen, mit Eltern aus zwei Kulturen. Die äußere Frage, wo ich herkomme, und die Innere, wo ich hingehöre, waren immer schwierig. Erstmals zugehörig einer lokalen Gemeinschaft fühlte ich mich, als ich als Erwachsene in meine kleine Heimatstadt im Bundesstaat Washington zurückkehrte.

Als mich mein Berufsweg zurück nach Europa und schließlich nach Deutschland führte – wohin ich ursprünglich nie zurückwollte – rechnete ich nicht damit, dieses Gefühl erneut zu erleben.

Doch kurz nach meinem Umzug letztes Jahr entdeckte ich den Neuen Kunstverein Wuppertal und war beeindruckt von der Offenheit und der Möglichkeit, aktiv mitzugestalten. Schon beim ersten Treffen wurde ich gefragt, ob ich Ideen für das kommende Ausstellungsjahr hätte. Jede und jeder kann hier eine Ausstellung vorschlagen, auch ohne Mitglied zu sein. Diese Offenheit zeigt sich auch bei Vernissagen, Abendessen und dem vierteljährlichen „Salon“, einem Get-Together mit künstlerischer Intervention. Ich freue mich sehr, nächstes Jahr eine Ausstellung organisieren zu dürfen und mich inzwischen auch im Vorstandsteam einzubringen. Wer Lust hat mitzumachen, ist herzlich zum nächsten Salon eingeladen. Das Loch ist ein weiterer Ort, der mir ans Herz gewachsen ist. Das vielfältige Kulturprogramm und die einladende Atmosphäre machen es zu einem meiner liebsten Abendziele. Wuppertal ist auch die Heimat von Pina Bausch, deren Werk weiter inspiriert: Ihre Worte „Mich interessiert nicht, wie die Menschen sich bewegen, sondern was sie bewegt“ waren Ausgangspunkt eines Workshops im entstehenden Pina Bausch Zentrum, an dem ich kürzlich teilnahm.

Charaktergebend für die Wuppertaler Kulturszene sind vor allem die vielen selbst organisierten Kulturorte und der kollaborative Geist, der sie verbindet. Zu Jahresbeginn beschloss ich, mich mehr auf das lokale Geschehen zu konzentrieren und mich stärker zu verwurzeln. Später erfuhr ich, dass Peter Kowald etwas ganz Ähnliches tat: Statt weiter um die Welt zu touren, blieb er ein Jahr in Wuppertal – und holte die Welt zu sich. So entdeckte ich Nischenorte wie das Solips in Vohwinkel, Bühne für brillante Improvisationen und Performances. Wuppertals geografische Struktur mit den vielen Zentren und der daraus entstehenden Unübersichtlichkeit scheint eine besondere Form der Verbundenheit, Inklusion und gegenseitigen Verantwortung zu fördern. Hier gibt es ein kollektives Gefühl der Fürsorge und eine Bodenständigkeit, die dieser Szene ihre unverwechselbare Wärme verleiht.

Ich weiß, dass ich bisher nur an der Oberfläche der Wuppertaler Kulturlandschaft gekratzt habe. Gleichzeitig ist klar: Die Szene steht vor großen Herausforderungen. Kunst und Kultur bringen Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammen und bauen Brücken über gesellschaftliche Gräben hinweg. In einer Zeit, in der sich viele Menschen voneinander entfremdet fühlen, sind diese kulturellen Brücken essenziell. Ich hoffe, dass viele andere diesen Weg gehen und Zugehörigkeit finden können.

Anregungen an kolumne@fnwk.de

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