Der Kultur ein Zuhause Über die Wiederkehr des Salons // 22. Januar 2020 Von Torsten Krug Wir kennen die Bilder aus Zeiten Franz Schuberts, auf denen ein illustrer Kreis von Damen und Herren, um einen Flügel gedrängt, andächtig einer Sängerin oder einem Dichter lauscht. Schubert selbst hat seine Lieder nie in einem größeren Konzertsaal gehört. Das war nicht der rechte Ort für diese intimen Äußerungen, das Hammerklavier gab die Lautstärke dafür auch gar nicht her. Torsten Krug - Foto: Andreas Fischer 200 Jahre später: Private Haushalte als wichtige Orte des Kulturlebens scheinen keine große Rolle zu spielen. Das moderne Zuhause – Obacht: Klischee – definiert sich über den Halbkreis vor dem Fernseher. Man will seine Ruhe haben, das Berufsleben ist schließlich anstrengend genug. Warum nur begegnet mir wieder allerorten kulturelles Engagement in den eigenen vier Wänden? Beispiel Dortmund: Der Geigenbauer Bley & Sohn hat eine verwunschene Werkstatt im Erdgeschoss eines schönen Altbaus. In der ersten Etage befindet sich seine Wohnung, in die er seit Jahren jeden (!) Sonntag zum Konzert einlädt. Anmeldung empfiehlt sich, oft ist sein Wohnzimmer ausgebucht. Möchte man als Musiker dort auftreten, muss man lange im voraus einen Termin erfragen. Alle wollen sie dort spielen. Finanziell ist es nicht attraktiv: Die Gäste geben, was sie möchten oder können. Doch die Nähe zum Publikum, das bildschöne Interieur und die Gespräche im Anschluss wirken belebend. Beispiel Wuppertal: Seit einigen Monaten betreiben Herbert Gerstberger und Felicitas Miller ihren „Kultursalon Nr. 10“ in ihrem großräumigen Wohn-, Koch- und Esszimmer im Osten der Stadt. Man kann dort Gespräche über Quantenphysik, philosophische Stunden mit Andreas Steffens, historische Vorträge, Lesungen, Konzerte und sogar Theateraufführungen erleben. Jeder kann kommen. Dennoch ergibt sich automatisch ein Gefühl von Zugehörigkeit zu einem Kreis. Infos dazu finden sich im Netz. Vereine verzeichnen Zuwachs. Initiativen wie die Kreuzkirche, „Der Berg liest“, Urban Gardening, aber auch Utopiastadt, das Loch, die Kunststation in Vohwinkel, die Bandfabrik und viele andere – sie alle partizipieren letztlich am Gedanken der alten Salons, einer nicht in erster Linie kommerziellen Zusammenkunft von Menschen und des Austausches. Der Vorwurf gegen das Kunstlied am Ende des 19. Jahrhunderts war der einer zu großen Innerlichkeit, die Salons wurden zum Ausdruck biedermeierlichen Rückzugs vor dem politischen Weltgeschehen. Heute scheint sich gerade in den kleineren, privat anmutenden Zirkeln eine Kraft der Teilhabe zu offenbaren, ein Wille, die Stadt und unsere Gesellschaft mit gestalten zu wollen. Der Übergang vom privaten zum öffentlichen Raum ist längst fließend geworden. Vom 7. bis 14. Februar werden Mitglieder des neu gegründeten Insel-Vereins für sieben Tage und Nächte in die erste Etage des Ada einziehen und dort „probewohnen“. Im intensiven Austausch soll die Zukunft dieses für Wuppertal so bedeutsamen Ortes gestaltet werden. Täglich werden wir ausschwärmen ins Quartier, uns mit benachbarten Institutionen und Menschen treffen. Am Ende stehen zwei öffentliche Abende, zu denen ich Sie schon jetzt einladen möchte: Donnerstag, 13. Februar, ist dem Viertel mit einem Nachbarschaftsfest gewidmet. Am Freitag, 14. Februar, wollen wir ab 19.30 Uhr gemeinsam mit vielen Gästen darüber nachdenken, was eine Insel in Wuppertal braucht. Danach wird getanzt. Es war (und ist) schließlich das „Wohnzimmer“ des Pina Bausch Ensembles. 3649 Weitere Informationen WZ KolumneDiese Kolumne in der Westdeutschen Zeitung