Die Vielen, die Gemeinsamen und die Wenigen Von Lukas Hegemann „Die Vielen“ (www.dievielen.de) haben am 9. November ihre Kampagne vorgestellt: Es geht den unterzeichnenden Kultureinrichtungen darum, den Versuchen von Rechts, Einfluss auf Programm und Fördergelder zu nehmen, etwas entgegenzusetzen. Dazu möchten sie „den offenen, aufklärenden, kritischen Dialog über rechte Strategien“ führen und sich „solidarisch mit Menschen, die durch eine rechtsextreme Politik immer weiter an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden“ verbinden. Lukas Hegemann - Foto: Heike Müller Überraschend an dieser Erklärung ist die folgende Einsicht: „Rassismus ist Alltag. Rechtsextremismus ist ein Symptom davon. Dieses Bündnis will nicht nur Symptome bekämpfen, sondern in die Tiefe wirken. Wir setzen uns deswegen mit den eigenen Strukturen auseinander und stellen diese zur Verhandlung. Wir müssen die Kunst- und Kulturräume sowie unsere Gesellschaft öffnen, damit wir wirklich Viele werden!“ Verbunden ist die Unterschrift daher mit allerhand Selbstverpflichtungen, wie internen und öffentlichen Diskussionen und aktiver Unterstützung der „bundesweiten Kampagne mit Aktionstagen und der Mobilisierung zu einer „Glänzenden Demonstration der Kunst und Kultur ...“ in Berlin zum Mai 2019.“ So sehr wir die These „Rechtsextremismus ist ein Symptom von Rassismus“ (ist das nicht eher umgekehrt?) noch mal diskutieren sollten und so sehr die Kampagne auch die Wahrung eigener Interessen im Blick hat, so begrüßenswert ist sie doch. Denn drei Dinge sind richtig: Wir müssen jetzt etwas tun. Wir müssen bei uns anfangen und unser eigenen Positionen und Möglichkeiten unter die Lupe nehmen. Wir müssen den größtmöglichen Konsens herstellen und so die „Vielen“ erreichen. Deshalb freue ich mich, dass das Tanztheater Wuppertal Pina Bausch und die Wuppertaler Bühnen und Sinfonieorchester GmbH, Utopiastadt und die börse sowie die Armin T. Wegner Gesellschaft e.V. schon unterschrieben haben – ich bin sicher, es kommen noch viele weitere Wuppertaler Institutionen und Verbände dazu. Leider kamen die Unterzeichner der Erklärung nicht dazu, am 10. November mit zur Demo zu gehen, obwohl der Aufruf hieß „Für ein solidarisches Miteinander – Gemeinsam gegen rechte Hetze“ und von den Zielen und Forderungen auch sehr konsensual formuliert war. Dem entsprechend breit war das Bündnis – von Kirche über Aktivisten, von Kultur bis Politik, dementsprechend bunt waren auch die ca. 800 regenfesten Demonstranten. Es fehlten aber doch die „Mitte der Gesellschaft“, die CDU, die SPD, die Grünen, die FDP und die „Großkultur“ – warum eigentlich? Wahrscheinlich sind sie nicht explizit gefragt worden, aber ist das denn angesichts der Zeiten wichtig? Kann am Gedenktag an 100 Jahre Republik und an 80 Jahre Pogrom gegen jüdische Mitbürger tatsächlich keine gemeinsame Demo gegen Rassismus stattfinden, wenn dabei u.a. auch die Seebrücke die EU- und Bundespolitik anklagt und ein paar Marxisten über ihre Geschichtsauffassung berichten? Verhindert das schon das wichtige Zeichen: „Gemeinsam gegen rechte Hetze“? Die Wenigen waren am 9.11. abends im Barmen. „Die Rechte“ hat laut Presse mit 16 Personen oberlandesgerichtlich genehmigt provoziert, 150 spontane Gegendemonstrant*innen haben ihnen gezeigt, dass sie nicht erwünscht sind. Diesen Menschen möchte ich für ihr Engagement danken. Und bleibe gespannt auf „die Vielen“. Das Motto klingt nach Kästner und vielversprechend: „Solidarität statt Privilegien. Es geht um Alle. Die Kunst bleibt frei!“ 4155 Weitere Informationen WZ KolumneDiese Kolumne in der Westdeutschen Zeitung