Vom Weitergeben der Flamme Vorstand nur noch für eine Übergangszeit // 8. Februar 2023 Von Torsten Krug In meiner ersten Kolumne im noch frischen Jahr schrieb ich über den Dialog zwischen den Generationen und fragte mich: Was bleibt? Heute werde ich schon wieder nostalgisch und möchte mein Staunen darüber teilen, wie sich die Bilder gleichen: Neulich brachte uns Rainer Widmann ein Exemplar des „Wuppertaler Stadtbuchs 86/87“ mit. Die Älteren werden es kennen. Meine Frau und ich – als erst zwanzig Jahre später Zugezogene – kannten es nicht. Das Panorama der darin versammelten, mit Artikeln und Unmengen an Informationen unterfütterten Schlagworte reicht von „Umwelt“, „Wohnen“, „Lernen“ über „Kultur“, „Medien“, „Wirtschaft“ bis zu „Alte“, „Frauen“ (achtzehn Seiten), „Männer“ (eine leere Seite), „Frieden“ und „Sekt und Sekten“. Atmosphärische Schwarz-Weiß-Fotografien ergänzen das auf Schreibmaschine getippte, im „Sisyphos Verlag“ erschienene Buch, auf seinem Cover prangt eine Zeichnung von Eugen Egner. Es ist eine Zeitreise in die Wuppertaler Stadtgeschichte. Torsten Krug - Foto: Andreas Fischer Stichwort „Kultur“: Das Katzengold gab es schon, das Café Zweistein auch, damals noch im Unterbarmer Bahnhof; die börse war zwölf Jahre jung und residierte noch in der Viehhofstraße 125. Über sie lese ich einen Text, der zunächst ihre Entwicklung von der kleinen Initiative „impuls“ zum soziokulturellen Zentrum nachzeichnet. Dann geht er ans Eingemachte: Zwar erhält die börse damals schon gut eine Viertel Million D-Mark von der Stadt, dennoch muss sie Dreiviertel aller benötigten Mittel selbst erwirtschaften, und das bedeutet – Zitat: dass „das Veranstaltungsangebot fast immer kalkulierbar sein muss – kommen zu wenig Besucher – Scheiße!“, dass „sich die Programmplanung als ewiges Feilschen und schwerer Händel darstellt, auf Kosten einer Unterbezahlung wirklich anspruchsvoller Künstler oder auf Kosten des Hauses“, und: dass „eine thematische, kultur- und gesellschaftspolitisch relevante Programmorientierung faktisch nur durch ein Überengagement Einzelner oder Honorarverzicht ganzer Gruppen möglich ist“. – Wow, denke ich. Das alles könnten wir heute wieder über die Arbeit mehrerer unverzichtbarer Kulturorte sagen. Auch die dann formulierten Wünsche für die ökonomischen Rahmenbedingungen der Börsen-Arbeit gleichen heutigen sehr, beispielsweise darin, „dass die Kosten für die Unterhaltung des Gebäudes/Betriebes des Zentrums einschließlich der Grundausstattung an Personal von der Stadt bzw. öffentlichen Hand abgedeckt werden“ sollten. Auch eine „Kultur-Kooperative Wuppertal e.V.“ finde ich, deren Ansätze denen des heutigen „fnwK“ ähneln, sie hatte sogar ein eigenes Magazin: das heute noch erscheinende „iTALien“. Letzte Wochen hatte das „)) freie netz werk )) KULTUR“ seine erste Mitgliederversammlung nach Jahren. Die Pandemie hat auch dieser Initiative, die 2018 nach einer fruchtbaren Vorlaufphase startete, zugesetzt. Mit ihrem langjährigen Vorstand, bestehend aus Lars Emrich, Zara Gayk, Uta Atzpodien, Tine Lowisch und anderen hat sie, meine ich, so viel bewegt und erreicht, dass wir es teilweise gar nicht mehr wahrnehmen, weil es sich schon etabliert hat. Nun hat sich der Vorstand nur noch für eine kommissarische Übergangszeit wählen lassen. In spätestens sechs Monaten sollen Neue ran. Es bleibt zu hoffen, dass sich Menschen finden, die diese wertvolle Arbeit fortführen. Wie sagte angeblich Thomas Morus (um 1500): „Tradition ist nicht das Halten der Asche, sondern das Weitergeben der Flamme“. Wir bitten um Handzeichen. Anregungen und Kritik an: kolumne@fnwk.de 1439