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Vertrauen da, wo die Seele singt

10. Februar 2021

Von Uta Atzpodien

Eis rankt sich um die Äste, Baumnadeln, rote Hagebutten und anderes Naturwerk inmitten unserer von feinem Schnee überzogenen Stadtlandschaft. Ein Szenario, das uns innehalten lässt, tief durchatmen angesichts einer Schönheit, die uns die Natur mit einzigartigen Momenten zu vermitteln vermag. Dieses Eintauchen in den Augenblick kennt wohl jede und jeder: Berührende Momente stellen sich ein, in Begegnungen mit Menschen oder eben über Kunsterfahrungen. Nähe entsteht, ein Gefühl von Vertrautheit und Vertrauen. Das erfahren wir einzeln, also jede und jeder für sich oder auch als Gemeinschaft, wenn Menschen zusammenkommen, im Theater, in der Oper, in Ausstellungen oder all den spannenden Kunst- und Kulturorten. Eine Melodie, unvergessliche Mimik, Wörter in hingebungsvoller Poesie, Satire oder eindringliche Körper in Bewegung können das sein. All dies bewegt uns, dort, „wo die Seele singt“, an all den Orten, an denen Kunst geschieht und die seit fast einem Jahr oder konkret seit dem November wieder geschlossen sind. Wie geht es wohl den Stadtbewohnerinnen, -bewohnern, dem Publikum an sich damit, so ganz ohne?

Uta Atzpodien - Foto: Ralf Silberkuhl
Uta Atzpodien - Foto: Ralf Silberkuhl

„100 Tage Einsamkeit“ hörte ich gerade zum kulturellen Lockdown in einem Beitrag auf Deutschlandradio Kultur. „Ja, ja, ja, ja, ja, nein, nein, nein, nein, nein“: Digital zumindest sind Künstlerinnen und Kulturschaffende extrem aktiv, ob in Netzwerken, Gesprächen oder Kunstaktionen. Und zugleich ist es still geworden, denn das Analoge, Sinnliche ist nicht so leicht zu ersetzen. Erst letzten Samstag wurde in Marseille der „Kulturelle Notstand“ ausgerufen und die Theater der Stadt für einen Tag geöffnet – selbstverständlich mit notwendigen Sicherheitsmaßnahmen. Ein Notruf war es, denn in der Öffentlichkeit, auch in den Feuilletons, wird die Bedeutung von Kultur als gelebte und erlebte Freiheit und Ausdruck des Menschen zu wenig gewürdigt. Noch weiter würde ich gehen, denn mit Kunst und Kultur entsteht Vertrauen. Genau das ist es, Vertrauen, das unsere Gesellschaft mehr denn je braucht – vor allem im Umgang mit der Pandemie und all den gesellschaftlichen und politischen Krisen.

Wie häufig in den letzten Wochen wurde mir das Radio zum wertvollen alltäglichen Begleiter, konkret kürzlich, als ich dem stimmlich so altvertrauten Jürgen Wiebicke lauschte, der sich im philosophischen Radio des WDR mit dem Philosophen Christoph Quarch zum Spannungsfeld „Sicherheit und Freiheit“ austauschte und letzterer dies erhellend historisch aufrollte. Sowohl Wurzeln als auch Flügel sind schon lange zentrale Bedürfnisse des Menschen. Standbein und Spielbein: In unserer ungewissen Zeit scheint Sicherheit so wenig erreichbar wie wichtig zugleich. Die Freiheit ist zentraler denn je – international und politisch – nicht nur aufgrund der Pandemie in ihren Fundamenten und ihrer Entfaltung gefährdet.

Diese Tage hinterlegte mir eine geschätzte Freundin, Expertin in Sachen „Arbeit und Kultur“ ein Buch im Hausflur, mit den Worten, es wäre was für mich. Ja, ganz besonders nach dem Philosophischen Radio. Ich liebe Zufälle: Im jüngst erschienenen rosa Band „Wo die Seele singt“ ist es just der Philosoph Christoph Quarch, der sich mit seinem Co-Autoren Jan Teunen dem Thema „Kunst im Unternehmen“ nähert. In neonpinker Schrift sprechen sie von beseeltem Arbeitsraum, schöpferischem, humanem Raum, Begeisterung und Leidenschaft. Nein, Zufälle gibt es nicht. Genau das brauchen wir, Kunst mitten im Leben, der Arbeit, gerne auch mitten in der Verwaltung und an allen (auch unwirtlichen) Orten: Kunst & Kultur vermögen, Vertrauen aufzubauen und Menschen einander näher zu bringen. Das brauchen wir.

Anregungen und Kritik: kolumne@fnwk.de

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