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Für Wuppertal ohne Kunst und Kultur

25. Oktober 2023

Von Lukas Zimmermann​

Neulich hab ich mich gefragt: Was wäre eigentlich, wenn die komplette freie Kulturszene in Wuppertal ihre Arbeit niederlegen würde? Der Gedanke kam beim Jahrestreffen der freien Szene mit dem Oberbürgermeister auf. Vielleicht erst mal nichts, wir können ja noch in die Oper gehen, und Techno feiern geht auch in Köln. Na ja, zumindest für manche. Nicht unbedingt für die Leute, die in der freien Kultur arbeiten. Viel zu teuer. Und die würden dann noch weniger als eh schon verdienen, weil sie ja die Arbeit niederlegen. Dafür haben die dann endlich Zeit, das verstaubte Schnitz-Set aus dem Schrank zu holen oder Sauerteig anzusetzen – geil, wie bei Corona. Obwohl … werkeln und backen wird vielleicht auch schwierig, weil Holz und Lebensmittel ja so teuer sind. Dann müssen die halt mehr lesen, sind doch so kulturinteressiert.

Lukas Zimmermann - Foto: Su-Jin Zieroth
Lukas Zimmermann - Foto: Su-Jin Zieroth

Apropos lesen: Neulich hab ich bei Rosa Luxemburg gelesen, dass Leo Tolstoi geschrieben hat, dass die meiste Kunst – sogar seine eigene – eigentlich nur dazu da ist, die Eliten zu bespaßen und für normal arbeitende Menschen überhaupt nicht verständlich sei. Heute sagt man dazu, glaube ich, Hochkultur. Im Gegensatz zur U-Kultur. „Schundliteratur“ hat man früher diese Groschenhefte genannt, die sich alle leisten konnten und die alle verstanden haben. Was macht eigentlich die freie Szene in Wuppertal? Hochkultur oder Schundkultur?

Obwohl, vielleicht würde das schon irgendwann auffallen. Dann passiert ja auch vieles nicht mehr: Konzerte, Workshops, Lesungen … Bildungsangebote machen die auch viel und oft sogar umsonst. Für viele wahrscheinlich das Einzige, wo sie überhaupt noch hingehen können. Na ja, das geht dann halt nicht mehr. Muss man einfach wieder mehr ins Autonome Zentrum. Ach nee, die sollen da ja weg …

Neulich hat mir eine Bekannte erzählt, dass gerade total viele neue Künstlerinnen und Künstler nach Wuppertal ziehen. Klar, ist ja auch das neue Berlin. Für die wär das echt blöd, wenn sie extra hierher ziehen und dann können die nur noch in der Stadthalle auftreten. Wäre irgendwie auch für alle anderen, die herziehen, voll bescheuert, wenn man denkt, man ziehe ins neue Berlin und dann ist das Einzige, das an Berlin erinnert, die Mieten. Müssen die halt auch wieder mehr lesen.

Apropos lesen: Neulich habe ich gelesen, dass es in NRW jetzt verpflichtende Mindesthonorare für Kunstschaffende geben soll. Wird ja auch mal Zeit. Obwohl … bringt denen natürlich auch nichts, wenn die Kulturorte die Gagen nicht mehr zahlen können. Da fällt mir ein, eine Bekannte von mir ist doch in der freien Kulturszene angestellt und da haben wir neulich über Tarifverträge geredet und dann hat die nur gelacht und ist weggegangen. Wird wohl nicht nach Tarif bezahlt …

Die hat auch davon erzählt, wie wichtig Kulturangebote gegen Rechtsruck und Militarismus seien. Hat wohl was mit Stärkung der Zivilgesellschaft zu tun. Das habe ich aber nicht gecheckt. Muss ich unbedingt noch mal ChatGPT fragen.

Vielleicht müsste man das einfach ausprobieren. 100 Tage ohne Kultur. Oder 100 Stunden. Hat das nicht Peter Kowald auch mal gemacht? Da müssten dann aber alle mitmachen, sonst fällt das wirklich niemandem auf. Dann könnte man mal sehen, was die freie Kultur für so eine Stadt wie Wuppertal leistet, und dann würde man die vielleicht sogar mehr dabei unterstützen, ihre Arbeit richtig machen zu können. Also finanziell. Einen Versuch wäre es wert.

Lukas Zimmermann ist Projektmanager im Kulturzentrum Loch.

Feedback gerne an: kolumne@fnwk.de

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