Wie viel ist uns die Kunst wert? Von Lars Emrich Wertschätzung und Wahrnehmung erfahren fast alle gerne und beeinflussen unser Streben und Wirken. Im normalen Berufsleben drückt sich das eine im Gehalt aus, das bei einer Anstellung monatlich auf das Konto fließt. Das andere durch Jobperspektiven, Aufstiegsmöglichkeiten, also das, was wir Karriere nennen. Der Freiberufler oder Unternehmer wählt Unabhängigkeit und Unsicherheit gerne, weil die Chancen auf Wachstum, Erfolg und Ansehen überproportional groß sind. Erfolge in guten Jahren können als Polster verwendet werden, wenn es mal nicht so gut aussieht. Lars Emrich - Foto: Klaus Dilger Für fast alle freien Künstler sind beide Wege unrealistisch. Der eine, weil das Wesen freier Kunst darin besteht, nicht in einer Institution beschäftigt zu sein. Auch wenn die Festanstellung für nicht wenige eine erstrebenswerte Alternative wäre. Und natürlich gibt es die Erfolgsgeschichten einiger weniger, selbst wenn diese häufig von langen Durststrecken begleitet waren. Alltag für die meisten Kulturschaffenden ist es jedoch, sich von Projekt zu Projekt zu hangeln, von Förderung zu Förderung. Eine Perspektive gibt es häufig nur für die kommenden Monate. Und Ruf hin oder her: Mit jedem Antrag und Projekt fängt der Künstler quasi wieder von vorne an. Folgerichtig werden daher auch im aktuellen NRW-Landeskulturbericht die finanzielle Lage der Künstler und die Planbarkeit und Sicherheit des Berufslebens als größte Missstände aufgeführt. Als Gradmesser dafür kann man die Zahlen der Künstlersozialkasse nehmen. Demnach verdiente ein Künstler (Stichtag 1. Januar 2016) im Durchschnitt brutto 15 945 Euro jährlich. Und die Aussichten sind alles andere als rosig. Statt Wahrnehmung und Wertschätzung greift die Kostenlos- oder Flatrate-Kultur weiter um sich. Zu selbstverständlich ist es, dass Bühnenequipment und Technik auf Stadtfesten bezahlt werden, Musiker aber mit Getränke- oder Würstchen-Bons abgespeist werden. Peter Grabowski, kulturpolitische Reporter, hat angesichts der Ausstellungseröffnung von Jens Grossmanns Fotos im vergangenen Dezember im NRW-Landtag davon gesprochen, wie beschämend er es finde, dass ein Künstler wie Grossmann die Bilder auf eigene Kosten herstellen, transportieren und aufhängen lassen musste, ohne für die Ausstellung in einem öffentlichen Gebäude (Parlament) einen Cent zu bekommen. Wobei dies nicht ein Einzelfall sei, sondern gängige Praxis. Der Dokumentarfilm „Der Preis der Anna Lena Schnabel“ zeigt, wie die mit dem Echo Jazz als beste Newcomerin ausgezeichnete Musikerin für ihren Auftritt bei der ansonsten kostspieligen Preisgala ebenfalls keine Gage bekam. Dabei bleibt nach Spotify und Co. den meisten Musikern nur noch das Konzert als letzte Einnahmequelle. Etablierte Musiker beklagen, dass mit den „Hut-Veranstaltungen“, bei denen jeder in einen Hut wirft, was ihm die Veranstaltung wert ist, die Wertschätzung weiter leidet. Andere sehen darin die Möglichkeit, für Publikum und Künstler ein niedrigschwelliges Angebot zu machen, das insbesondere für unbekanntere Künstler zu mehr Wahrnehmung führt. Dabei steht die Musik nur stellvertretend für die anderen Kunstsparten. Was ist uns das Theater, der Tanz, die bildende Kunst wert? Wie sehr bereichern sie das Stadtleben? Wahrnehmung kostet nicht viel, Wertschätzung beginnt mit einer Haltung. Kunst und Kultur sind ein wesentlicher Motor im neu erwachenden Selbstbewusstsein dieser Stadt. Gerade die freie Szene vor Ort gilt als einzigartig, vielfältig und bunt. Nehmen wir sie wahr, schätzen wir sie wert. Für Wuppertal ist sie definitiv ein großer Gewinn und Standortfaktor. 2724 Weitere Informationen WZ KolumneDiese Kolumne in der Westdeutschen Zeitung