Über die Chancen eines Kultur-Passes 22. Februar 2023 // Wenn Jugendliche lokale Kulturangebote nutzen, profitieren sie selbst und auch die Kulturszene Von Charlotte Zinke „Liebes Kultur-Pass-Team, manchmal sind Worte nicht nötig, manchmal reichen Worte nicht aus oder helfen nicht, auszudrücken, was sie wirklich sagen möchten. Als ich vor einem Jahr als Asylbewerber in Luxemburg ankam, war ich sehr traurig, verärgert, nervös, besorgt und doch hoffnungsvoll (…). Nach ein paar Tagen sagte mir eine Freundin (…): Hey Raul, du musst dir deinen Kultur-Pass besorgen, damit du den kulturellen Reichtum Luxemburgs genießen kannst. (…) Und ich muss Ihnen sagen, dass das vergangene Jahr dank Ihnen eines der großartigsten Jahre meines Lebens war, ich habe den Kultur-Pass so oft und jedes Mal benutzt. Meine Hoffnung wuchs, jedes Mal wuchs meine Liebe zum Leben, jedes Mal wuchs meine Liebe zur Kunst, in der Philharmonie zu sitzen, im großen Theater zu sitzen, in die Rockhal zu springen, alle Museen zu besuchen, es war ein Segen (…).“ Diese bewegenden Worte stammen von Raul Narciso und er schreibt über seine Erfahrungen mit dem Konzept „Kultur-Pass“ in Luxemburg. Charlotte Zinke - Foto: Zinke Auch in Deutschland soll ab dem zweiten Quartal dieses Jahres bundesweit der Kulturpass für junge Menschen eingeführt werden. Anders als in Luxemburg, handelt es sich bei der deutschen Umsetzung um eine Online-Plattform, auf der jeder Empfänger ein digitales Guthaben von 200 Euro besitzt, das für den Erwerb von Büchern, Vinylplatten und insbesondere für den Eintritt zu lokalen Kulturveranstaltungen genutzt werden soll. Zu den Empfängern des Kultur-Passes gehören Jugendliche, die im Jahr 2023 achtzehn Jahre alt werden. 100 Millionen Euro stellt die Bundesregierung für dieses Projekt zur Verfügung. Es lohnt sich, den französischen Vorreiter der Idee in den Blick zu nehmen: In Frankreich gab es schon 2021 mit dem „pass culture“ eine Testphase, bei der, je nach Altersklasse, bis zu 300 Euro zur Verfügung gestellt wurden. Nachträglich wurde kritisiert, dass der Fokus weniger auf klassischen Kulturveranstaltungen gelegen habe, sondern eher auf dem Erwerb von Mangas und Büchern, deren Kulturanteil gering sei. Daher gilt es, beim Kultur-Pass bestimmte Türen zu öffnen und gleichzeitig alle Sparten in das Programm zu inkludieren. Was kann getan werden, damit der Kultur-Pass attraktiv ist und die Hürde zu Kulturveranstaltungen jenseits des Popkultur-Mainstreams verringert wird? Der teilnehmende Jahrgang war zu Beginn der Pandemie 14 bis 15 Jahre alt. Für diese Gruppe war das Angebot und die Möglichkeiten kultureller Teilhabe massiv beschränkt. Gerade in diesem Alter – und verstärkt durch die Pandemie – haben viele Jugendliche eine enorme Schnelllebigkeit internalisiert, bei der ständiges Online-Sein die Aufmerksamkeitsspanne verkürzt und „analoge“ Kultur aus der Mode gekommen ist. Die Öffentlichkeitsarbeit in Bezug auf den KulturPass muss diesen Hintergrund mitdenken. Der Kultur-Pass ist eine vielschichtige Chance. Während der Hochphase der Corona-Pandemie wurden viele kritische Stimmen laut, man habe die jungen Menschen in dieser Zeit vergessen. Im Zuge dessen entstanden hierfür Ausgleichsmaßnahmen wie „Aufholen nach Corona“. Doch auch die Akteure der Freien Szene können nach der Krise vom Kultur-Pass profitieren. Die große Nachfrage nach unterstützenden Mitteln aus dem Wuppertaler Solidarfonds „EinTopf“ für freie Künstler im Jahr 2020 hat gezeigt, wie sehr Kulturschaffende unter der Pandemie gelitten haben. Was braucht es, damit die Jugendlichen mit ihrem neuen Kultur-Pass-Budget die lokalen Kulturangebote nutzen? Davon könnten doch beide, junge Menschen und auch die Kulturszene, profitieren und zukünftig viel mehr gemeinsam das Kulturgeschehen gestalten. Ideen und Anregungen gern an: kolumne@fnwk.de Zur Person Charlotte Zinke ist 19 Jahre alt und arbeitet seit September 2022 als Bundesfreiwilligendienstleistende im Kulturbüro der Stadt Wuppertal. vorheriger Artikel Verschließe Deine Augen nicht 1987