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Vom Soll und Haben unserer Kultur

Auch die Kunst hat ihren Klimapreis // 24. April 2024

Von Max Christian Graeff

Bringt Ihnen die Briefpost manchmal Postkarten? Es gibt sie noch, und Ende Mai erscheint eine neue: Eine Frau und ein Mann, geflügelt und mit Heiligenscheinen, schauen von einer kleinen Wolke im All auf den dampfenden Erdball hinab, der mit Handgriffen versehen ist. Sie: „Und – was haben sie daraus gemacht?“ Er: „Einen Kugelgrill!“ – Diese saukomische Traurigkeit ist typisch für den Elberfelder Cartoonisten Polo, dessen große posthume Werkschau im Frankfurter Caricatura Museum für Komische Kunst am 29. Mai eröffnet wird. Beim derzeitigen Wetter erscheint der Witz etwas kühl, doch das wird sich in wenigen Tagen wieder ändern. Und dann wird endlich richtig angegrillt …

Max Christian Graeff - Foto: C. Paravicini
Max Christian Graeff - Foto: C. Paravicini

Die Frage, was man selbst gegen die Sorgen der Zeit machen könne, beginnt bei den uns gewohnt gewordenen Vergnügungen schnell zu verdampfen. Bei allem, was uns zusammenführt und gemeinsam feiern lässt, ist das ja auch allzu verständlich: Man muss es nicht gleich trocken als soziale oder kulturelle Teilhabe bezeichnen; ohne Feste und Feiern von der Balkonparty bis zu den Wagner-Festspielen geht es einfach nicht. Und was ist schon so ein Tütchen Raubholz-Kohle aus fernen Urwäldern gegen die Umweltbilanz eines Opern- oder Tanztheaterabends, gar gegen die Mengen „grauer Energie“ eines ganzen Stadtfestes oder Megamusikfestivals? Die Thematik wird uns in diesem warmen Halbjahr sicher oftmals einholen, und tatsächlich gibt es erst einmal keine einfachen Lösungen. Ob „nur“ wilde Ekstase oder auch Bildungsauftrag, Diskurs und Austausch – Veranstaltungen der kommunalen, staatlichen oder gewerblichen Kultur wie auch all jene der freien und soziokulturellen Szenen bewegen in unserer Demokratie das Leben vorwärts; sie sorgen dafür, dass wir uns so unterschiedlich und gemeinschaftlich sehen können, wie jede und jeder von uns möchte. Solange die drohenden Kipppunkte zum gesellschaftlichen Rückwärtsgang noch nicht erreicht sind, bilden die Feste der Kulturen unsere Diversität und den Mut, diese nicht leichtfertig aufzugeben. Ein so hohes Gut ist manche Umweltsünde wert …

Nun säuft nicht jeder Scheinwerfer die Leitung leer und nicht alle Stars reisen im Learjet an. Hinter den Bühnen wird intensiv an Antworten gearbeitet: Können Open-air-Festivals Unmengen von Wegwerfzelten und Autokolonnen vermeiden? Reichen Pfandgeschirr, Veggie-Streetfood und lokales Bier für eine etwas grünere Bilanz? Wie geht man mit politischen Übergriffen, Diversitätsverweigerung und Gewalttätigkeit um? Und bleiben die Tickets bezahlbar, wenn das Heer der Helfenden fairen Lohn einfordert? – Solche Fragen gelten nicht nur für die Eventflut der warmen Jahreszeit, sondern gleichermaßen für Staatstheater und die vielen kleinen Spielorte, für Film und TV, die bildende Kunst, die Zeitungs- und Verlagswelt, für Stadtfeste, lange Tische, Bugas und Literatur Biennalen. Sie sind von gesamtgesellschaftlicher Relevanz. Auf diese Weise bildet der ganze breite Kulturbetrieb in der Suche nach aktuellen Maßgaben auch das alltägliche, nichtfeiernde, berufliche und schulische Leben weiter, und manche Arbeit hinter den Kulissen ist zugleich ein Labor fürs gute Leben. An sehr vielen Kulturorten – auch an den freien – wird intensiv an Wegen aus der Verschwendung und Anmaßung gearbeitet. Ob genügend und rechtzeitig, steht freilich in den Sternen … Was kann ich selbst denn nun tun? Mindestens mal das Kleingedruckte lesen, denn immer mehr Veranstalter informieren über ihre Ideen und Bemühungen. Wir könnten, sofern wir wollen, nicht mehr nur Kunden, sondern Mitverantwortliche unserer Vergnügungen sein.

Ihre Meinung an: kolumne@fnwk.de

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