Erlesene Welten entdecken – mitten in Wuppertal Buchläden und Bibliotheken gehören zur freien Kulturszene // 15. März 2023 Von Torsten Krug Galeria Kaufhof in Elberfeld schließt im Januar kommenden Jahres. Den Krankenhäusern in Deutschland geht es existenziell schlecht. Nur zwei Nachrichten von vielen, allein in den letzten Tagen, die sich einreihen in die nüchterne Erzählung des Kapitalismus. Das Kaufhaus von heute steht im Internet. Das Krankenhaus der Gegenwart ist zu einem wirtschaftlichen Betrieb verkommen (man stelle sich nur einmal vor, die Feuerwehr oder die Polizei hätten Gewinne zu erwirtschaften und wählten die Bearbeitung von Notrufen nach deren Rentabilität aus). Torsten Krug - Foto: Andreas Fischer Zumindest, was den Kaufhof angeht, sind meine Frau und ich unschuldig. Kürzlich noch kauften wir dort unter anderem einen Wok – den besten, den wir je hatten. Zu Hause angekommen, bemerkten wir, dass er gar nicht abgerechnet worden war. Als meine Frau am nächsten Tag mit den Quittungen zum Kaufhof zurückging, um den Wok nachträglich zu bezahlen, erntete sie ungläubige wie respektvolle Blicke. Doch eigentlich wollte ich über den guten alten Buchladen schreiben, der ja ähnlich vom Internethandel bedroht ist. Sie erinnern sich: Diese Räume mitten in einer Stadt (meist sind sie auf den Dörfern längst verschwunden), mit ganz eigener Akustik, gedämpft von Papier … Sowohl die inhabergeführten Buchläden als auch die Bibliotheken gehören für mich zur freien Kulturszene. Nicht selten veranstalten sie eigene Programme wie beispielsweise der Glücksbuchladen in Elberfeld, haben sie beratenden Anteil an Literaturfestivals wie der Wuppertaler Literatur Biennale. Neulich las ich von einer Untersuchung, wonach uns bereits fünf Minuten Lesen in einem Buch beruhigten. Studien zeigen: Wer viel und lange liest, ist resilienter, zögert Demenzerkrankungen hinaus und kann sogar sein Leben verlängern. Als Grund dafür werden positive Veränderungen des Gehirns angenommen. Auch emotional werden wir reifer: In einer Studie stellten Forscher fest, dass Bücherleser mehr Empathie zeigten als – Verzeihung – Zeitungsleser. Eine andere Studie konnte belegen, dass Menschen, die oft Bücher lesen, anderen Kulturen gegenüber offener sind, sie eher akzeptieren und häufiger positiv bewerten als nicht lesende Menschen. An Bücherorten lassen sich Welten entdecken. Nicht solche, die man gesucht hat, sondern oft gänzlich neue, unverhoffte. Für mich immer wieder ein Grund, an Orte mit Büchern zu gehen, ist nicht die Notwendigkeit an neuen Büchern – diese stapeln sich zu Hause zu unentdeckten Sehnsuchts-Inseln –, sondern die Freude daran, auf neue Ideen gebracht und inspiriert zu werden. Auch der Bücherladen von Jutta Lücke, seit vielen Jahrzehnten in der Hünefeldstraße in Unterbarmen beheimatet, ist so ein Ort. Dort stehen (fast) nur Bücher, welche die Inhaberin schätzt oder zumindest angelesen hat. Neulich machte die Nachricht die Runde: Eine achtteilige Serie fürs Fernsehen würde gedreht, mit Anke Engelke in der Hauptrolle einer Buchhändlerin. Dafür wurde ein möglichst origineller Buchladen in Deutschland gescoutet: Eben dort, im Bücherladen von Jutta Lücke in Wuppertal, sollte gedreht werden. Seit Wochen verteilte sie Zettel, auf denen die Schließzeiten draufstanden. Es wäre für sie der erste Urlaub seit langem geworden (noch dazu mit einer wöchentlichen Entschädigung, die den monatlichen Umsatz mit Büchern übersteigt). Doch der Dreh wurde im letzten Moment abgesagt. Das Ordnungsamt war wohl dagegen. Auch die Straße vor dem Buchladen hätte mitspielen müssen. Das war dann doch zu viel verlangt. Anregungen und Kritik kolumne@fnwk.de 1351