Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste 20. Oktober 2021 Die spezielle Eigenschaft deutscher Mentalität und deutschen Denkens, Kunst und Kultur als eine Besonderheit, einen nicht der allgemeinen Gesellschaft zugehörenden Bereich zu betrachten, sozusagen zu dissoziieren, bietet Vorteile, aber auch zusehends Nachteile. Kerstin Hamburg - Foto: Andreas Fischer Wir stellen die Kunst und Kultur auf einen Sockel, beurteilen sie aus der betrachtenden Perspektive oder konsumieren sie in irgendeiner Weise. Kunst wird inzwischen von unserer Nation in eine Schublade gesperrt. Von hier aus können wir sie sortieren, einordnen, katalogisieren und auch steuern. Der etablierten Hochkultur in Deutschland bringt diese Ausgliederung von Kunst und Kultur aus der „normalen“ Gesellschaft viel Ruhm und Ehr und damit auch Förderungen des Staates. Diese ist leider mit einem immens hohen Verwaltungsaufwand verknüpft, der Entwicklungen verhindert oder verzögert. Das Erlangen unterliegt teilweise frühkapitalistischen Strukturen. Nicht zuletzt verstärkt durch den zunehmenden digitalen Einfluss, der noch mehr Möglichkeiten der Kontrolle ermöglicht: „Wieviele Mitglieder Ihrer Zielgruppe möchten Sie erreichen? Wieviele Besucher hatten Sie?“ Selbst Education-Programme werden an Erfolgszahlen gemessen. Das trennende Denken zu Kunst, Kultur und Gesellschaft bzw. Wirtschaft ermöglicht auch das schnelle Ausgliedern der Kunst beim Setzen von Prioritäten, was spätestens alle seit Ausbruch der Pandemie gemerkt haben sollten. Doch Vorsicht: Selten begreifen wir, dass wir, und zwar jeder von uns, Teil von Kultur sind und sie damit tagtäglich beeinflussen. Schauen wir kurz in die Vergangenheit. Von jeher waren kreative Äußerungen Teil der menschlichen Existenz. Kreative Freiräume beflügeln schon immer wissenschaftliche und auch gesellschaftliche Entwicklungen. Doch die Verwaltung von Kunst und Kultur durch unsere Gesellschaft beflügelt nicht. Sie unterstützt nicht. Sie setzt nichts frei. Es gibt unzählige Beispiele von deutschen Dichtern und Denkern, Künstlern und Forschern, die in der Welt mit ihren Ideen landen konnten, aber nicht hier bei uns. Inzwischen nutzen große Beratungs- und Wirtschaftsunternehmen die Zusammenhänge von kreativen Freiräumen, künstlerischer Praxis und wissenschaftlicher Kompetenz zur Entwicklung neuer Produkte, Märkte und allem, was der Kapitalismus so braucht. Deshalb plädiere ich dafür: halten Sie alle ihre Sinne beisammen, seien Sie neugierig, nutzen und schaffen Sie Freiräume, reagieren Sie nach Lust und Laune – und stellen Sie Ihren Schubladenschrank auf den Sperrmüll. 2510