Nichts kommt aus dem Nichts, denn auch Kunst machen ist Arbeit 19. November 2025 Tine Lowisch Früher hieß es in unübersichtlichen Situationen, es sei besser, erst einmal abzuwarten oder eine Nacht darüber zu schlafen – vieles kläre sich von selbst. Am heutigen Buß- und Bet-Tag nehme ich mir also mal die Zeit, um zu überlegen, was ich bereue, woran ich glaube und worauf ich weiterhin vertraue. Um ein bisschen Abstand zu bekommen, verlasse ich dafür sogar mal meine Stadt und schaue mich ein bisschen um. Seit ich mir ein Deutschland-Ticket leiste, geht das ganz gut, wenn Zeit und Ziel dabei nicht so wichtig sind. Wenn ich die öffentlichen Verkehrsmittel nutze, befinde ich mich dabei mit allen Konsequenzen in Gemeinschaft, kann beobachten, zuhören und allein dadurch, dass ich Strecke mache, habe ich das Gefühl, auch gedanklich beweglicher zu sein. Moderat unterwegs zu sein, ist einfach ein guter Ausgleich. Tine Lowisch - Foto: Claudia Scheer van Erp Am vergangenen Sonntag (die Zeit reichte für einen kurzen Ausflug) war ich mit meinem Mann, trotz Novembernebel und Nieselregen, auf dem Geschwister-Scholl-Platz in Barmen begeistert, da wir genau in dem Moment vor Ort waren, als der Konzeptkünstler Samuel Treindl sein performativ entstandenes Betonobjekt ausschalte, aus seiner Form befreite. Dann, in der Kunsthalle Barmen, wo noch bis zum 14. Dezember die Ausstellung Ex Nihilo - Prozesse künstlerischer Arbeit läuft, haben wir uns im Anschluss sehr wohlgefühlt und uns in guter Atmosphäre mit anderen Besuchern über weitere, mögliche künstlerische Interventionen ausgetauscht. Bei Künstlerinnen und Künstlern ist das normal, sie unterscheiden nicht zwischen Arbeit und Freizeit. Dieses Verhalten macht sie, neben vielen weiteren Faktoren, sehr verletzlich. Wer versucht, von seiner Kunst zu leben, geht keinen nachvollziehbar planbaren, geraden Weg. Vielmehr fühlt es sich manchmal an, wie in einem Hamsterrad, das man ständig selbst antreibt. Oder, wenn es gut läuft, wie in einem Kreislauf oder einem Flow, bei dem Zeit keine Rolle spielt, während über Veränderungen geforscht oder über Richtungswechsel getüftelt wird. Nichts kommt also aus dem Nichts, denn auch Kunst machen ist Arbeit. Sehr viel Arbeit sogar. Das wurde in der letzten Woche auch bei der 12. kunstkanns-Benefit-Auktion im Alten Schauspielhaus an der Bundesallee bei uns in Wuppertal deutlich. Es ist schon beeindruckend, dass sich dieses Format in unserer Stadt so lange hält und dabei so ansteigend liebevoll durchgeführt wird. Und es ist ebenso hervorzuheben, dass einige Künstler und Käufer tatsächlich schon von Anfang an dabei sind. Darüber hinaus kommen, wie ich bei der Preview erfreut feststellen konnte, jedes Jahr immer neue künstlerische Positionen hinzu. Wer also von Anfang an Kunstwerke auf dieser Auktion ersteigert hat, müsste zu Hause schon eine ansehnliche, zeitgenössische, persönliche Kunstsammlung haben. Und, rückübertragen auf die Förderungswürdigkeit von Wuppertaler Künstlerinnen und Künstlern, ist auch diese Wertschätzung natürlich ein guter Zweck – nicht nur der stattliche Spendenbetrag, der durch gemeinsamen Willen zusammenkommt. Diese Wuppertaler Kunstauktion ist auch eine Art Kompass für den künstlerischen Nachwuchs, der sich für die Beteiligten wie eine Olympiade anfühlen kann. Frei nach dem Motto: Dabei sein ist alles. Das diese Auktion schon zum zweiten Mal im Pina Bausch Zentrum stattgefunden hat, ist ein kraftvolles Zeichen für die Bildenden Künstlerinnen und Künstler in Wuppertal. Und ein wertvoller Beitrag für die inhaltliche Ausgestaltung der spartenübergreifenden Schnittstelle eines kulturellen Großprojekts mitten in der Stadt: dem Forum Wupperbogen im zukünftigen Pina Bausch Zentrum. Ihre Meinung an ➜ kolumne@fnwk.de 267