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Das große Schlingern

Betriebskosten des Denkens sind nicht abrechenbar // 21. Mai 2020

Von Max Christian Graeff

Es war etwas ungemütlich, doch auch beruhigend: Die Eisheiligen waren heuer enorm pünktlich, wie vom Kalender versprochen. Morgens um sieben – der Computer schlief noch und die Welt war in Ordnung – schaute ich dem Gimpel beim Frühstück zu; er zog sich verträumt die Kerne rein, bis er aufschreckte, weil ihm plötzlich einfiel, dass im Nest die Holde mit den Kindern wartete … Der Blautfink, wie er im Bergischen heißt, wurde in der Malerei gerne in die Bäume des Paradieses gesetzt. War es aufgrund seiner Warnfarbe oder weil er unter den Gartenvögeln als der Einfältige gilt? Die Frage vergaß ich schnell, als der Browser dann Dutzende aufzuholende Mails ins Müsli spülte: Zoom-Termine für Netzwerk-Diskussionen, Newsletterfluten, Job-Umplanungen, Petitionen, unverbindliche Anfragen für Eventualitäten aller Art und durchaus auch Konkretes, das fast im Getümmel untergeht. Dazu Nachrichten zum Lachen oder Weinen, und wie im Flug war der Vormittag schon alt und ich bereits wieder mit allem zu spät. Nicht nur mit Dringlichem, sondern auch mit allem, was es zu verstehen gibt.

Max Christian Graeff - Foto: C. Paravicini
Max Christian Graeff - Foto: C. Paravicini

Die Veränderungen der Sprache mitzuverfolgen – der News, der Debatten und Kunstprodukte, der Mutmaßungen und Empörungen – gehört zu den alltäglichen Aufgaben der Schreibenden, noch bevor der erste eigene Satz geschrieben ist. Das ist jedoch zurzeit kaum genügend zu leisten, selbst ohne Kinder, homeschooling und Maskenbau. Die Menge der sich oft widersprechenden Mitteilungen, der Erklärungen und Kommentare ist eine Überforderung, jedenfalls wenn man „alles“ mitbekommen und zugleich Geduld zu üben hat, weil die freischaffenden Künstler zwar selten so oft von Politikern erwähnt wurden, sich jedoch bezüglich konkreter Hilfen nur wenig bewegt.

So ist es fast verständlich, dass auch die lokale CDU und die Grünen in einem gemeinsamen Antrag an den Stadtrat zwar Maßnahmen für Kulturschaffende forderten, sich dabei aber selbst nicht informiert zeigten. Ausgerechnet die bereits funktionierenden Initiativen der Zusammenschlüsse künstlerisch Aktiver – allen voran der Solidarfonds EinTopf (www.eintopfwuppertal.de), an dem auch das städtische Kulturbüro beteiligt ist – blieben dabei unerwähnt. Utopiastadt, das Freie Netz Werk Kultur und weitere Akteure reagierten wohlformuliert mit Infos über das längst Wirksame und mit der Bitte, an diesen brennenden Fragen gemeinsam zu arbeiten.

In alledem sind die AutorInnen unserer Stadt recht selten zu hören. Sie sind eh die Eremiten des Kulturbetriebs; physische und auch digitale Distanz ist für ihr Arbeiten normal und sogar Voraussetzung. Zudem müssen sie stets mit sich selbst um Geltung ringen: Während Abertausende gerade einen ansteckenden Nebel aus egoistischer Meinung und hanebüchener Fantasterei um sich sprühen, haben sie den Anspruch, Literatur in die Realität der Zeit zu stellen, die nicht nur museale Aufgaben hat, so wie es auch der gerade verstorbene Kinderbuchverleger Hans-Joachim Gelberg forderte (der mit den orangenen Büchern). Was werden die Kinderbücher der Zukunft über diesen verlorenen Frühling schreiben? Sie entstehen gerade jetzt, im scheinbaren Schweigen, während die Unterfeierten sich wie die Gibbons im Zoo an den Gerüsten der Erregung entlanghangeln und mit hohlen Phrasen nach Fernreisen schreien. Die Künstler aber (jedenfalls jene, die diese verrückten Tage wirtschaftlich überleben, was längst nicht selbstverständlich ist) werden der Gesellschaft vielfach zurückgeben, was sie an „Hilfen“ erhalten. Die freie Kunst bereichert nicht sich; sie wandelt schmales Geld in Reichtum für alle um: in das Fühlen, Verstehen und Sprechen von morgen.

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