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Kultur als Spiegel der Selbstwirksamkeit

19. Februar 2025

Von Torsten Krug

Vergangene Woche war ich wieder beim „Artist Diploma“ in Bochum, den Abschlussprüfungen des Studiengangs Schauspiel der renommieren Folkwang Universität der Künste. Das Besondere an diesen Vorspielen ist, dass die Studierenden nicht nur spielen, sondern alles – vom Text über die Inszenierung zur Beleuchtung und Musik – selbst machen. Diese kleinen großen Stücke der jungen Theaterschaffenden sind wie Seismografen für aktuelle gesellschaftliche Diskurse. Auffällig in diesem Jahr war für mich, dass alle Stücke vom absurden Theater geprägt schienen, größere Nähe zur Performance als zum Schauspiel aufwiesen und im Grunde alle – mehr oder weniger komisch – mit dem Weltuntergang spielten. Das ging mir ziemlich nahe.

Torsten Krug - Foto: Andreas Fischer
Torsten Krug - Foto: Andreas Fischer

Zuvor, auf dem Weg nach Bochum, hatte ich im Radio gehört, dass ein neuer Sheriff in der Stadt sei: „There is a new sheriff in town“, hatte der zweifelhafte Vizepräsident eines mächtigen, uns so prägenden Landes seine absurden Einlassungen auf der Münchner Sicherheitskonferenz begonnen, mir wurde schlecht. – Womit wir konfrontiert sind, ist nichts Geringeres als der Versuch einer Umwertung aller Werte. Vieles, womit wir aufgewachsen sind, soll rechtsdrehend in einem Strudel von Scheingegenwart verquirlt und entsorgt werden: Der größte Nationalsozialist war ein Kommunist – ein Narrativ der Rechten schon vor dessen Machtergreifung –, Faschisten von heute retten die Meinungsfreiheit und schaffen Frieden, und weltoffene Demokratien verbieten die freie Rede. In seinem soeben erschienenen Buch „Das deutsche demokratische Reich“ analysiert der Historiker Volker Weiß eben diese Methoden der kulturellen Kriegsführung. Die Umdeutung von Geschichte und die gezielte Zerstörung demokratischer Werte durch die extreme Rechte trifft weltweit offenbar auf Menschen, welche dieser Hirnwäsche nichts entgegenzusetzen haben, keine historischen Zusammenhänge herstellen, keinen Sinn für Komplexität entwickeln wollen oder können. Die Schlüsselrolle, welche die Sozialen Medien mit ihrer emotionalisierenden Bildhaftigkeit und manipulierenden Verkürzung dabei spielen, wurde oft benannt.

Kommenden Freitag dürfen Uta Atzpodien und ich bei „Literatur auf der Insel“ den jungen Autor Markus Thielemann begrüßen. Sein Roman „Von Norden rollt ein Donner“ erzählt subtil und zugleich messerscharf von den Abgründen eines „urdeutschen“ Idylls und seiner unterschwelligen Radikalisierung. Ein Spiegel kann auch ein Abgrund sein.

Das erwähnte Vorspiel der Schauspiel-Studierenden wurde begleitet von einem „Outside eye“, zwei Dozenten, welche beratend zur Seite standen. Bei der Begrüßung erklärte einer von ihnen, dass ihm die Arbeit mit den Studierenden nicht nur große Freude, sondern auch Mut gemacht habe, denn er habe kluge, die Welt künstlerisch reflektierende, wache Menschen kennengelernt, die jetzt in ihre (zunehmend ungewisse) Arbeitswelt aufbrächen.

Das letzte der Stücke enthielt einen interaktiven Kniff: Wir als Publikum konnten über einen QR-Code via Handy abstimmen, wie die Geschichten auf der Bühne weitererzählt, welche Handlungen vollzogen werden sollten. Dementsprechend veränderten wir auf fiktionaler Ebene die Zukunft der Menschheit. Was für ein Bild. Man kann es nicht oft genug sagen: Auch unsere gesamtgesellschaftliche Entwicklung ist keine Publikumsveranstaltung. Wir sind die Akteure. Die massiven Proteste – und auch der Schulterschluss demokratischer Parteien gegen die kruden Aussagen rechter Popanze – zeigen Wirkung.

Anregungen an kolumne@fnwk.de

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