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Über Stock und über Steine

Vom Maulen und vom Machen – eine Fortsetzung // 12. März 2025

Von Max Christian Graeff

Zumindest vom Wetter her war das Wochenende famos: Entspannung strömte durch die kalten Knochen auf ihren Wegen durch unsere Stadt- und Randwälder; die Strahlen des Vorfrühlings wärmte die Gemüter und auch die Amseln wagten sich weit aus der Deckung, um auf den kargen Beeten den Krimskrams zu sortieren, den sie schon bald zum Nestbau brauchen könnten. Ich habe im Herbst extra alles liegen lassen, damit sie nun genug zu shoppen haben und sich in ihrer Begeisterung nicht mal am ohrenbrechenden Getöse der gigantischen Maschinen stören, die auf dem Gleisbett nebenan das Unterste zuoberst wenden. Tag und Nacht schuften die orangefarbenen Arbeiterscharen derzeit auf der breiten Trasse westlich der Steinbeck, die unsere Stadt einst als erste Bahnstrecke Preußens mit dem Welthandel verband. Wenn man die Begriffe „Rückstand“, „marode“ und „Reformstau“ ausblendet, könnte man glatt meinen, es würde sich etwas Richtung Zukunft entwickeln …

Max Christian Graeff - Foto: C. Paravicini
Max Christian Graeff - Foto: C. Paravicini

Inmitten des Getöses verzweifelte ich am Bau der Natursteinmauer und las zwischendurch im neuen, jungen Gedichtband von Samuel Kramer: Der kleingeschriebene Titel „endlich regen“ liest sich vieldeutig und im Band geht es um alles. „Berichte entfesselten Wetters warten auf Freigabe. / Ländereien auf Bewohnbarkeitsupdates. Es gibt hier / keine Verbindungen. Versuchen wir es später“ – Was für eine gute Arbeit, dachte ich im Lärm: An der poetischen Feststellung des Gesamtzustandes, am nur noch hypothetisch möglichen guten Leben aller und am Widerstehen gegen die Sprachen der Macht, die uns in die Ängste treiben. Denn das Verstummen ist keine Alternative. Dasselbe, was in der vorigen Woche unser Kolumnengast Christian von Grumbkow von den Farben und Leinwänden berichtete, gilt doch auch für alle anderen künstlerischen Gewerke: Es zählt nicht mehr nur das Dürfen und Sollen auf eingefahrenen und eben auch marode gewordenen Gleisbetten der Förderung und institutionalisierten Möglichmachung. Ebenso wichtig in der Progression gegen die regionalen wie globalen menschenfeindlichen und antidemokratischen Strömungen ist das „einfache Machen“, mutig voran, und sei es auch mal auf einem gleislosen Schotterbett, über Stock und Steine. „Aber brich dir nicht die Beine …“ – Das Wagnis dieses Machens verbindet derzeit künstlerische Generationen wie schon lange nicht mehr.

Unbedingte und zornige junge Stimmen, Töne, Farben und Bewegungen brauchen wir mehr denn je, gegen die Selbstoptimierung der Resignation und den hemmungslosen Gewinn an Geld und Raum. Die verordnete, frisch vollzogene Zerstörung des „Black Lives Matter“-Bodenkunstwerks in Washington steht als symbolischer Akt für die zunehmende Restriktion der Kunst und die Aneignung und Überformung der Sprache in aller „Herren“ Länder. Bei uns im Tal der immer schon „einfach mal Machenden“ duftet es derzeit nach Frühling. Junge und alte Kunst brodeln und moussieren. Die freischaffend Tätigen organisieren sich – mehr, als es sichtbar ist – weiter und leisten vieles. Noch gibt es einige der Inseln, auf die sich eine vorwärts gerichtete Kultur in ihrer Einheit von Arbeiten, Denken und Genießen retten kann. Ab und an wird sogar ein Gleisbett renoviert … allem selbstzerstörerischen Nölen und Möppern zum Trotz. Wenn auf den Deppenkanälen – ein lapidares Beispiel nur – unterstellt wird, dass der Oberbürgermeister sicher wieder nicht beim Wupperputz mithelfen wird, dann wirkt in einer solchen Petitesse genau jener Spaltpilz, der uns (wahnwitzig freiwillig) ins Denken einer Diktatur treiben will. Die Arbeit der Künste hält dagegen, und es liegt in diesem zarten, bitteren Frühling an uns allen, wie lange das noch geht.

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