Für eine offene Gesellschaft Mit Kultur und Zusammenhalt Ambivalenzen begegnen // 28. August 2024 Von Uta Atzpodien Einen Nebel von Trauer haben die Ereignisse des letzten Wochenendes in unserer Nachbarstadt Solingen hinterlassen, auch Mitgefühl, Sprachlosigkeit, stilles Gedenken und die bohrende Frage nach dem Warum. Das Fest zum 650-jährigen Bestehen fand mit der Messerattacke am letzten Freitagabend ein brutales Ende und hinterließ eine weitere Wunde in einer Stadt, die nicht zur Ruhe zu kommen scheint. Uta Atzpodien - Foto: Ralf Silberkuhl Das betrifft unsere Gesellschaft. Es bleibt der Schmerz um die Opfer und Angehörigen, die Verunsicherung und die Beunruhigung angesichts des Ausmaßes von Hass und der Gefährdung der Demokratie. Beklemmend sind die Hetze und die Instrumentalisierung seitens rechter Bewegungen. Umso wichtiger wird es nun sein, sachlich-nüchtern über die Probleme und Herausforderungen zu sprechen, erklärte kürzlich die Journalistin und Autorin Sineb El-Masrar, die sich zu Themen wie Feminismus, Islam, Radikalisierung, Medien und Antisemitismus in unserer postmigrantischen Gesellschaft positioniert. Mir erscheint eine klare Besonnenheit wichtig, in allen (politischen) Konsequenzen, die daraus gezogen werden, um unsere Gesellschaft wieder hin zu mehr Stabilität zu begleiten. Für eine Recherche kam ich mit dem Regisseur Bassam Ghazi ins Gespräch. Vor vielen Jahren habe ich mit ihm zusammengearbeitet, an der börse für Theaterarbeiten, wie „Letzte Ausfahrt Deutschland“ und „so nah / so fern. Eine bewegte Szenencollage über Lebenslinien“. Aktuell ist er für das Schauspielhaus Düsseldorf aktiv. Er hat mit „Solingen 1993“ eine theatrale Busreise in die Vergangenheit inszeniert und kommt demnächst, am 13. September, mit einer Premiere von „Romeo und Julia“ raus. Altersübergreifend begegnet das Ensemble der Polarisierung unserer Gesellschaft und sucht nach Alternativen und (Aus-)Wegen angesichts all der Konflikte und Abgründe, sei es zwischen Israel und Palästina, Ukraine und Russland, AfD und der Antifa. „Wie weit würdet ihr gehen, um eure Liebe, eure Freiheit, den Frieden zu verteidigen?“ heißt es in der Ankündigung. Der geschätzte Kollege verwies auf die Worte der US-amerikanischen Schriftstellerin und Aktivistin Audre Lorde: „Nicht Unterschiede lähmen uns, sondern Schweigen.“ Wir brauchen Begegnungsräume, wie sie insbesondere über die Kultur möglich werden, in denen Betroffene und Menschen an sich lernen, in den Dialog zu kommen und vor allem, Ambivalenzen auszuhalten. Den Ursachen für all die bedrohlichen Dynamiken müssen wir auf die Spur zu kommen, uns in Solidarität und Zusammenhalt üben und dabei mit- und füreinander Ansprechpartnerinnen sein. Kulturelle Bildung kann wesentlich dazu beitragen, um der Anonymität und vielpräsenten Traumatisierung entgegenzuwirken. Es ist weiterhin nicht verständlich und verantwortbar, dass aktuell für genau eine solche kulturelle Arbeit die Mittel gekürzt werden. Ich wünsche mir, dass über Parteigrenzen hinweg kommunal wie bundesweit Lösungen gefunden werden, um mehr Zusammenhalt zu ermöglichen und die im Grundgesetz verankerten Werte unserer vielfältigen Gesellschaft wahrhaft zu leben, zu lehren, zu lernen. Vor Ort lädt der „Insel Kulturgarten on Tour“ als Reallabor der InnenBandStadt ein: am Donnerstag, 29. August, sind wir von 16.30 bis 18.30 Uhr mit begrünten Lastenrädern unterwegs, am Wupperufer in der Hünefeldstraße, direkt neben der Familienkasse. Zu Gast sind die Künstlerinnen Babu Noella und Julia Ferrer Vilcher. Alles dreht sich um Wasser und Natur in der Stadt. Auch fragen wir uns: „Wenn die Wupper vor Gericht ziehen könnte …“ Feedback gerne an: kolumne@fnwk.de vorheriger Artikel Bevor das Meer die Bilder holt nächster Artikel Kürzungen sind keine gute Wahl 125