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Wie uns Musik verbinden kann

19. April 2023

Von Torsten Krug

Vergangenen Freitag kamen bei uns wieder Konzertkarten zum Einsatz, die schon Jahre zuvor gekauft worden waren: Steve Hackett plus Band plus Sinfonieorchester plus Chor absolvierten in der Stadthalle gleich drei ersehnte Konzerte, nachdem sie, so Mr. Hackett, durch „the little thing called the pandemic“ immer weiter verschoben werden mussten.

Torsten Krug - Foto: Andreas FischerTorsten Krug - Foto: Andreas Fischer

Unsere Erwartungen an „Genesis revisited“ waren hoch, verbindet doch jene Musik aus den 70ern, die an diesem Abend auch zu hören war, gleich mehrere Generationen in unserer Familie. Die Enttäuschung nahm dann im Laufe des Abends zu. Zwar rührte es mich kurz, gut 800 Menschen mitsingen zu hören: „Selling England by the pound“, doch sorgte die sonst so wunderbare Akustik unserer Historischen Stadthalle bei dieser Art von Musik dafür, dass alles zu einem lauten Matsch verschwamm. Der Mix durch die Tontechnik (unsere Plätze lagen direkt beim Mischpult) tat sein Übriges, um unser geliebtes Sinfonieorchester nicht nur optisch, sondern auch akustisch vollständig hinter der Band verschwinden zu lassen. Man hätte ihnen einen freien Abend gönnen mögen. So konnte man immer wieder erleben, wie geschätzte neunzig hochqualifizierte Musikerinnen und Musiker ihre Instrumente ansetzten – und nichts von ihnen zu hören war. Was sicher auch damit zu tun hatte, dass die zehn Finger des Keyboarders das Gleiche spielten. Und hier kommt der Hauptkritikpunkt an jener Unternehmung, die sich „Rock meets Classic“ schimpfte: Mal abgesehen davon, dass „Klassik“ hier gar keine Rolle spielte (es sei denn, man hielte schon den Einsatz entsprechender Instrumente und Stimmmöglichkeiten für „Klassik“) und diese somit nichts und niemanden treffen konnte, hatte Mr. Hackett es schlichtweg versäumt, ein Arrangement zu schreiben, das einer solchen Begegnung würdig gewesen wäre. So durften die armen Sängerinnen und Sänger von „Amici del canto“, eines der besten Chöre der Region, immer mal wieder „Aaaah“ singen, was ab und zu auch zu hören war. Das Sinfonieorchester traf es ähnlich: Viel mehr als das anhaltende Streichen von Flächen war für sie nicht vorgesehen.

Das Publikum schien auffallend wie aus einer gemeinsamen Blase – erstaunlich, wie ein Musikstil ablesbar sein kann an Kleidung, Frisur, Alter, Geschlecht (mehr Männer). Und, by the way: Fast alle wirkten begeistert! Haben also nur wir uns nicht verbunden? – Was verbindet uns, wenn wir zu solch einem Konzert gehen? Wohl auch die Sehnsucht nach einer vergangenen Welt...

Harter Schnitt, Samstagabend auf der INSEL im ADA: Ein bemerkenswertes Quartett um Axel Fischbacher, der in diesem Jahr zusammen mit Eckehard Lowisch und dem Kabarettungsdienst den Springmann-Preis erhält, spielt Stücke aus rund siebzig Jahren – und jeder Ton ist hier JETZT, hat keinerlei Patina über den Augenblick hinaus, auch ein Stück aus den Fünfzigerjahren nicht. Das Publikum scheint ungleich diverser: junge wie alte Männer und Frauen, verschiedene Nationalitäten, unterschiedliche Sprachen... Die Musik verbindet hier, trennt nicht, konserviert nicht, möchte nichts anderes sein: Vier passionierte Musiker erschaffen einen Zeit-Raum, ganz ohne verstärkende Technik, lediglich mit der Resonanz des Ortes spielend und der Präsenz ihres lauschenden, wippenden Publikums.

Hier weiter über die Verwertungsmechanismen von Musik nachzudenken, reicht der Platz leider nicht aus. Gerne gebe ich den Staffelstab weiter an zukünftige Kolumnen.

Und freue mich über Zu- und Widerspruch an kolumne@fnwk.de

 

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