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Literatur: in Not oder wendig?

Von Max Christian Graeff

Der Hochsommer glüht und viele, die sich keinen Platz an fernen Küsten kaufen können, plündern die Baumärkte und arbeiten fleißig am eigenen Paradies. Die Schutzräume fürs Wohlergehen gehören ebenso zur Kultur wie all die Daten, die nach der Arbeit in ihnen genossen werden. Daten? — Nun, Bücher immer weniger, denn wenn alle Zäune und Mauern errichtet sind, wird das Restbudget nur noch selten in platzraubendes Altpapier investiert. Die Hände verwerfend lässt sich schon vor dem Moll-Akkord der Buchmesse konstatieren: Der Buchmarkt gleicht immer öfter der Getreideernte in der Monokultur, staubig und trocken mit vielen leeren Körnern. Das Jammern gehört wie in der Landwirtschaft zum Handwerk und vielleicht geht die historisch kurze Zeit bürgerlicher Heimbibliotheken halt dem Ende zu.

Max Christian Graeff - Foto: C. Paravicini
Max Christian Graeff - Foto: C. Paravicini

Was sich aber mit ihr in die Senke begibt, ist die generelle Wertigkeit von Literatur als Lebensmittel: Das Einbeziehen gereifter Worte der Analyse und Reflektion, auch der Unterhaltung, der Dichtung im Allgemeinen in den gesellschaftlichen Diskurs, in die Diskussionen um Anmaßung und Aneignung, um den irreparabel scheinenden Verfall der Menschlichkeit. Auch bei möglichen Wegen aus den Krisen, in die wir Industrieländer die Gattung Mensch hineinkonsumiert haben, spielt das kondensierte, Denkräume öffnende Wort lediglich eine Nebenrolle. Wissen wir noch, wie sehr wir von den Fähigkeiten abhängig sind, zu formulieren, zu träumen, zu lehren und zu dichten? Sie sind ein Hab und Gut derer, die sonst nichts haben. Dichtung entsteht bis zum letzten besitzlosen Atemzug. Weshalb man in absurder Logik eben meint, diese Felder nicht mehr wässern zu müssen. Während das Umtauschrecht im Möbelmarkt flammende Kommentare hervorruft, gibt man der Literatur den Gnadenschuss, mit flüchtigem Dank für die staubende Erbschaft.

Nicht nur die Hochseilartistik ist hier gemeint, nicht die Leistungsschreiberei der wenigen bezahlten Autor*innen, sondern das Ringen um das richtige Wort in einer sich falsch gebärdenden Zeit. Und nicht die Literatur an sich ist das „Gute“, sondern der Umstand, dass es sie gibt, jene eingeschlossen, die mir selber nicht gefällt. Auch unsere Stadt bewässert nur wenige Ziergärten und lässt die Felder vertrocknen. Dichtung wird zugelassen, aber mehr nicht. Wir haben keine Dialekte mehr, wenig nichtsatirische Stadtbeschreibung und kaum noch überregionale Stimmen. Vor allem denen, die es schwerer haben, wurde ihr Recht auf selbstgebildete, geformte Schriftsprache entzogen. Und das Hohelied der Relevanz ist nur noch leise zu erlauschen, wenn die Stadt im Tiefschlaf liegt. Wuppertal als Lebens(w)ort wäre ideal für eine Bundesgartenshow — auch im literarischen Sinne. Dafür braucht die Dichtung mehr Selbstverständlichkeit und Zuwendung, von den freien Kulturwerkern und den Förderern wie auch von jedem Einzelnen. Ab in die Baumärkte des Geistes! Sie stehen jedem offen und bieten weit mehr als Schrauben fürs Gemüt.

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