Die Zukunft ist ein Spiel mit Ideen Von Tine Lowisch Als Kind habe ich mir immer vorgestellt, dass alle Ideen bereits in der Welt sind, sie wie eine unsichtbare Masse um uns herum existieren, kurz aufflackern und sichtbar werden, wenn jemand sie denkt. Die Denkfiguren in meiner Vorstellung glichen in etwa einer großen Familie von Barbapapas, die aneinander geklumpt, mal bunt, mal farblos immer aber in einem fließenden Zustand sich in ständiger Veränderung tänzerisch bewegten, sich mal zeigten und auch wieder verdrehten – also jederzeit wieder verschwinden konnten. Mit einer Art steuerndem Gummi-Twist, einem extrem flexiblen Leitfaden, der aus den Materialien Zeit und erzählten Geschichten bestand, wurde die fröhliche Ideenfamilie zwanglos zusammengehalten. Fest davon überzeugt, dass die anderen Kinder um mich herum genauso dachten, war es zu diesem Zeitpunkt nicht notwendig meinen Eltern oder Geschwistern von meinen Gedanken zum Zustand der Welt zu berichten, oder gar Notizen zu machen. Ich schwieg. Genauso, wie mein Vater, manchmal tagelang. Tine Lowisch - Foto: Claudia Scheer van Erp Wenn ich heute auf die Entstehungsgeschichte der menschlichen Kreativität schaue, waren in meiner damaligen kindlichen Gedankenwelt alle drei Etappen der Bezugssysteme der Kunst enthalten. Denn zunächst bezogen sich die Menschen in ihrem künstlerischen Ausdruck auf die sie umgebende Natur und die von ihnen beobachteten Naturphänomene, die es durch sie und mit ihrer Kunst zu übertreffen galt. Die erste Etappe war geschafft und es kam die Zeit, sich von der Natur zu verabschieden. Sie verschwand. Als die Fantasie moderner wurde, befreite der kunstschaffende Mensch sich und die Kunst von diesem, aus meiner Sicht rücksichtslosem Vorgang. Danach verstand der Künstler sich darauf, noch kaum die Künstlerin, die Eindrücke des Unerwarteten in sich selbst zu suchen. Die zielstrebige Selbstveränderung des Menschen als Maß aller Dinge, wurde an sich selbst abgearbeitet. Und es wurde von Künstlern ausprobiert, ob es stimmt, dass alle Gestaltungspläne an den Erkenntnissen des Menschen, an seinen Zielen und Wünschen gemessen werden können. Die rechnergestützte Einbildungs – und Vorstellungskraft heute, Etappe Nr. 3, produziert im Moment wirklich Unerwartetes. Ein unermesslicher Reichtum an Bildern, ein unerschöpfliches Repertoire der Zeichen, als ein Spiel mit reinen Formen. Dieses Spiel findet schon lange nicht mehr auf dem Spielfeld des Gemüts des Menschen statt. So nehmen wir seit langem Abschied von der Idee, die Welt die uns umgibt, als Verwandlung der Welt in Sprache zu begreifen und haben uns, ohne es zu bemerken, vom Humanismus entfernt. Unerwartete, aber doch errechnete Dinge, holen den Menschen, vom Mathematiker bis zum bildenden Künstler da ab, wo er steht, denn beide denken nicht in Zahlen, sondern visuell – also nicht sprachlich. Schöne Ideen haben einfach eine höhere Wahrscheinlichkeit korrekt zu sein, als hässliche. Für Zukunftsmacher absolut empfehlenswert: Schaut alle Folgen der Barbapapas. Diese birnenförmigen, lebendigen Klumpen werden wie Blumen in Gärten geboren, können sich in alle möglichen Formen verwandeln, sind freundlich und jeder mag sie. Immer einsatzbereit, mit grenzenloser Hilfsbereitschaft. Barbapapa war einfach der Beste. Das habe ich schon als Kind verstanden: Wir können uns ändern, wie wir wollen. 2597 Weitere Informationen WZ KolumneDiese Kolumne in der Westdeutschen Zeitung