Hobbykünstler aus Hollywood Auch in der Kunst und Kultur müssen heute die Zahlen stimmen // 14. August 2024 Von Tine Lowisch Schauspieler wie Armin Müller- Stahl (Malerei), Anthony Hopkins (Malerei), Sharon Stone (Malerei), Tilda Swinton (Performance) oder Brad Pitt (Bildhauerei), Musiker wie Mick Jagger (Malerei) oder Nick Cave (Keramik) und viele andere Promis mehr suchen auch in der bildenden Kunst den inneren Ausgleich zu ihren oft sehr öffentlichen Berufen. Der Musiker Udo Lindenberg (Malerei), der Komiker Otto (Zeichnungen) oder der Schauspieler Lars Eidinger (Fotografie) ebenso. Ich denke, infolge dessen bahnt sich hier ein paradoxer Mega-Trend an. Tine Lowisch - Foto: Claudia Scheer van Erp Denn internationale Ausstellungshäuser und Museen bieten diesen „neuen“ Stars der bildenden Künste nun ihre institutionelle Infrastruktur und erhoffen sich eine Win-Win- Situation, da prominente Partner natürlich verlässlicher und kalkulierbarer Publikum garantieren. Und vielleicht gelingt es den großen Häusern in der Kunstwelt auf diesem Weg ja auch, dabei, eine ganz neue Generation von potenten, kunstaffinen Jet-Settern zu erreichen, die neuerdings gepaart mit Internet-famen Bloggern, You-Tube- Youngstern und populären Podcastern den Anschluss an Prominenz mehr und mehr suchen und so nachweislich die, an Privatheit noch interessierten Sammlerinnen und Sammler der alten Schule, ablösen. Es entsteht gerade eine ganz neue Spielart der Pop-Kultur. Oder vielleicht sogar ein ganz neuer Spieltrieb, der sich durch Vorläufer-Phänomene, wie zum Beispiel dem des Kunsthandels mit NFTs (bereits abgeflaut) abgezeichnet hatte. Wenn das so weiter geht, amüsieren wir uns (und die Kunst tatsächlich bald) zu Tode, wie es Neil Postman in seinem gleichnamigen Buch schon im Jahr 1985 prognostizierte. Im Vorwort dieses Buchs ist zu lesen: „Postmans These lautet, dass die Medien zunehmend nicht nur bestimmen, was wir kennenlernen und erleben, welche Erfahrungen wir sammeln, wie wir Wissen ausbilden, sondern auch, was und wie wir denken, was und wie wir empfinden, ja, was wir von uns selbst und voneinander halten sollen.“ Und weiter: „Zum ersten Mal in der Geschichte gewöhnen die Menschen sich daran, statt der Welt ausschließlich Bilder von ihr ernst zu nehmen“. Und da stehen wir jetzt. Ist das der Abgrund, vor dem António Guterres anlässlich der UN-Vollversammlung 2021 so eindringlich gewarnt hat? Mit allen sich deutlich abzeichnenden Konsequenzen? Sind wir durch zu viele Bilder mittlerweile zu gestresst, zu zerstreut? Den Bildern hörig geworden und dadurch im Urteilsvermögen geschwächt? Wenn ich heute auf die Entstehungsgeschichte der menschlichen Kreativität schaue, sollten wir vielleicht lieber den Versuch wagen, zwischen den drei Etappen der Bezugssysteme der Kunst (der Natur, dem Selbst und der rechnergestützten Einbildungs – und Vorstellungskraft heute) viel spielerischer hin-und her zu springen, nicht mehr so linear, immer mit diesem Gedanken an Wachstum im Hinterkopf. Künstlerinnen und Künstler, die ihnen vielleicht noch unbekannt sind, probieren es bereits. Sie bewegen sich ganz bewusst wieder auf dem Spielfeld des Gemüts des Menschen, beziehen sich in ihrem künstlerischen Ausdruck auf die sie umgebende Natur und ja, sie versuchen wieder die Eindrücke des Unerwarteten, des Unberechenbaren, in sich selbst zu finden. Alleine, in ihren Ateliers oder in Leerständen. Oft auch ohne Publikum, denn es ist im besten Sinne eine Wissenschaft für sich. Eine der schönen Künste, die nicht allein in Zahlen denkt. Ihre Meinung bitte an kolumne@fnwk.de vorheriger Artikel Fest, Spiel, Zeit nächster Artikel Bevor das Meer die Bilder holt 146