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Das Kulturklima ist im Wandel

Über die Werte des Erlebens - vor und während Corona // 29. Juli 2020

Max Christian Graeff

Endlich wird‘s wärmer, für kurze Zeit – das sagt jedenfalls der Fernsehfrosch, der es wissen muss, weil er dafür seinen Lohn bekommt. Einmal schnell in den Hochsommer tauchen, das wäre kurz vor dem Ferienende schon schön, nachdem die Erde unserer Breiten gerade etwas feuchter und das Gewissen ruhiger ist. Ganz genau weiß es aber niemand, denn für exaktere Wetterdaten sind noch nicht wieder genügend Flieger in der Luft. Verrückt: Die stählernen Schwärme machen uns schlauer, aber nicht klüger, was wir wissen, ohne es zugeben zu wollen. Eine Möglichkeit für Vorhersagen wäre fortan, dem Erfahrungswissen mitsamt Instinkt und Intuition wieder mehr Aufmerksamkeit zu schenken – wenn wir jenes bloß nicht so leichtfertig vertüdelt hätten. Eine andere Eigenschaft haben wir in diesem Jahr schon etwas mehr gelernt: Das Leben mit Ungewissheiten.

Max Christian Graeff - Foto: C. Paravicini
Max Christian Graeff - Foto: C. Paravicini

Hochsommer also! „Eins zwei drei! Im Sauseschritt / läuft die Zeit, wir laufen mit!“ – so schrieb einst der olle Wilhelm Busch, den unsere wetterkundigen Großeltern noch mehrmals am Tag zitierten. Vor sechs Monaten, in der Narrenzeit, wurden wir von Readern zu Spreadern. Den Lesenden markierte die Absage der Buchmesse Leipzig der Ausbruch einer noch kaum vorstellbaren neuen Ära; inzwischen laufen die Planungen für eine stark digitalisierte Variante der weltgrößten Buchmesse in Frankfurt. Ich persönlich versuche jeder „Angst vor dem Neuen“ entgegenzutreten, habe aber weder Zeit noch Lust und Augenkraft, in der Messezeit ganze Tage lang in den Bildschirm zu starren und den neuen Kanälen zu folgen – wie schon bei den zahlreichen Streams im Lockdown. Und noch ehe du „Digitalisierung“ sagen kannst, bist du raus, alt und an den Rand der Verhältnisse geschwemmt.

Das eigentliche, körperliche Erlebnis ist tatsächlich unentbehrlich, um unserem Denken stets neue Horizonte zu verschaffen. Um nochmal altmodisch (und persönlich) zu werden: Wie anders wäre mein kulturelles Wissen und Agieren wohl geworden, wenn ich in jungen Jahren nie in Konzerten, Dramen, Performances, Lesungen und vor allem den Aufführungen des Tanztheaters gewesen wäre? Dieses durch kein Monitorbild zu ersetzende Gefühl: Das alles passiert jetzt gerade; die Tanzenden, Lesenden und ich teilen denselben Moment! Die Geigerinnen setzen gerade ihr Leben aufs Spiel, für mich! Die Tanzenden und ich atmen die dampfende Bühnenluft, sehen das Licht körperlich im Raum vor uns stehen, hören die Lungen keuchen und die Nelken subtil rascheln und knicken … Das ist durch keine Technik zu vermitteln, ob live oder als Konserve gesendet.

All das wissen wir. Warum nun diese Binsenweisheit in der für mich schon fünften Kolumne in der Coronazeit, mit von Bedingungen und Hoffnungen gelenktem Denken? Die Seuche ist nicht an allem schuld: Die Aufmerksamkeit für die Werte des Erlebens nahm in manchen Kultursparten schon seit Jahren, Jahrzehnten stark ab. Nun aber wird vieles deutlicher: Das Gerangel von Vermutung, Glauben, Behaupten, Rechthaberei und – ach so, ja: Wissen, die mehr markt- als vernunftgesteuerte Konkurrenz zwischen analogem und digitalem Wahrnehmen, die unterschiedliche Wirkung von Erlebnis und Zerstreuung, von Verfügungs- und Orientierungswissen … Noch ist der Drops nicht gelutscht; das Ganze ist Verhandlungssache: zwischen dem derzeit Nötigen, dem technisch Möglichen und den von von Fortschritt und Technik unabhängigen menschlichen Bedürfnissen. Nutzen wir die vielleicht kurzen warmen Sommertage für das Erlebnis des Denkens, also dafür, eine persönliche Meinung auszubrüten. Hoffnung gibt‘s nicht im Onlineshop; sie will in jeder und jedem von uns erfunden sein.

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