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Die toten Augen von Wuppertal

Von der Feier des Nichtschönen // 20. März 2024

Von Max Christian Graeff

Beim endlich wieder vollzogenen Wupperputz zeigten 2500 Menschen, dass sie den täglichen Blick auf die Lebensmüllader unserer Stadt leid waren. Ein Vielfaches der zehn Tonnen Schrott und Plastik liegt uns allein im Fluss noch vor Augen. Die Berge der Konsumabfälle, von jedermann scheinbar stolz im öffentlichen Kulturraum präsentiert, gehören seit jeher zur lokalen Mentalität. Räumt man mal selbst vor der Haustür auf, bleibt bald ein älterer Ureinwohner stehen und kallt: „Lass liegen, is’ doch Müll!“ Leichter lässt sich nicht feststellen, dass die kürzlich auch von Jochen Rausch geschilderte Vermüllung unserer Flächen und Gemüter kein modisches Phänomen gewisser sozialer Gruppen, sondern tief in die DNA der Stadtmoderne eingeschrieben ist: Die zwangsläufigen Folgen des Daseins in dieser überreichen Ausnahmestadt haben uns immer schon überfordert. Das gedankenlose Genöle über „Schandflecke“, lächerliche Bänke oder die lästige Stadtarchäologie gehört dabei mit zu dieser Lebensfeindlichkeit. Wiederentdeckte Geschichte ist nie ein Problem, sondern stets Teil einer Lösung.

Max Christian Graeff - Foto: C. Paravicini
Max Christian Graeff - Foto: C. Paravicini

Auch Slogans, Marketingmaßnahmen und Zukunftsprogramme gehören seit Jahrzehnten zum Stadtbild. Je ernster sie gemeint sind, desto stärker karikieren sie die realen Zustände. Dass Wuppertal „leuchtet“, zeugt von der traditionellen Sehnsucht nach dem Emporstrebenden, Hehren und Erfolgreichen, während uns der Blick auf die Erdgeschosse schon lange abhandenkam. Der Zustand der sozialen Räume für den Langsamverkehr, für Fußgängerinnen, Flaneure, Stadtlesende, Sehnsüchtige, kurz: Für Menschen, die sich für andere Menschen interessieren, offenbart das erbarmungslose Desinteresse am Wohlbefinden der „Menschen auf der Straße“. Verrammelte Erdgeschosse, blutleere Ladenlöcher, Konsumruinen, Granitplattensockel, verwahrloste urbane Intimzonen und rottende Gemeinplätze künden vom stadtkulturellen Krisengebiet. „Gehen Sie weiter; hier gibt es nichts zu sehen!“ Die zunehmenden Leerstände im Handelsstrukturwandel reproduzieren diese Heimatkultur im Übermaß.

Im Wirkungsbereich vieler Initiativen und Quartiersvereine sieht das Bild anders aus: Die Oase, die Färberei, der Bahnhof Vohwinkel, der Aufbruch am Arrenberg, Barmenurban, Utopiastadt, das abgerissene Pop me up, die (pausierende) Kunststation, die ortlose Aktion out and about – genannt sind wenige von vielen – arbeiten wie wild an der sozialen Ästhetik und Lebensqualität, oft ehrenamtlich, selbstausbeuterisch gegen die Selbstaufgabe. Inseln allein helfen jedoch der durch Profitgier und planerische Ignoranz verwüsteten Stadtstrecke nicht. Reichen Initiativen zum Mentalitätswandel für ein rauschendes Stadtfest 2029 und die Buga aus? Können der lange Tisch, die InnenBandStadt, die Projekte des Bürgerbudgets das große Trauma Wuppertals, nie mehr schön sein zu wollen, überwinden? Oder werden es wieder nur kosmetische Botoxfestivals, nur gut für ein paar überregionale Presseberichte?

Um das enorme Potenzial des Bürgerengagements und der diversen Szenen der freien Künste und Kulturen zu nutzen, wären nicht nur die Stadt und ihr Marketing zu echter Kommunikation und Motivation gefordert. Es ist an allen Planenden, Bauenden und leibhaftigen Gebäudebesitzenden, die toten Augen von Wuppertal für einen frischen, leuchtenden Blick zu öffnen. Die kulturell Aktiven allein können es nicht richten; es braucht den Willen der Stadtkräfte, menschennah zu denken, doch ohne Saubermann-Diktion. Lieber liebevoll etwas „schmuddelig“ als vermüllt und zugekachelt, lieber provozierend und diskursiv als zum Totsein verdammt. Die Künste stehen schon lange bereit, ihre bildenden Kräfte mitwirken zu lassen. Es ist fünf nach zwölf.

Ihre Meinung bitte an: kolumne@fnwk.de

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