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In der Umarmung

Vom Ersticken der Freiheit der Kunst // 17. Juni 2020

Von Andy Dino Iussa

Am 20. Juni lädt die freie Szene zum „Wiedersehen im öffentlichen Raum“ ein. Initiiert vom Freien Netz Werk Kultur, feiern Künstler*innen zwischen Utopiastadt und Schauspielhaus die „Freiheit der Kunst“. Das Motto nimmt Bezug auf die Rede Heinrich Bölls zur Eröffnung des Schauspielhauses 1966.

Böll sprach davon, dass der Kunst die Freiheit genommen werden könne, sich zu zeigen – aber „Freiheit geben kann ihr keiner; kein Staat, keine Stadt, keine Gesellschaft kann sich etwas darauf einbilden, ihr das zu geben, was sie von Natur ist: frei.“ Er meinte eine innere, konstitutive Freiheit der Kunst. Der Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich bestimmt die Autonomie der Kunst in seinem Buch „Gesucht: Kunst!“ als „Unabhängigkeit von externen Referenzen“, z.B. von „Publikumsgeschmack, ökonomischen Bedingungen, vorgängigen oder nachträglichen Instrumentalisierungen“, einer politischen Agenda.

Andy Dino Iussa - Foto: Iussa
Andy Dino Iussa - Foto: Iussa

In dieser Kolumne lese ich häufig, Kunst sei systemrelevant: „Systemrelevant bleibt die Kunst auf jeden Fall, solange ihr Eigenleben weiterhin anerkannt wird“ [„unmöglich!“, hustet Böll], „da sie uns unbestritten mit transzendenten, nachwachsenden Strategien grundversorgt“, schrieb Tine Lowisch. Uta Atzpodien meinte, „zu selten ist mir die Systemrelevanz von Kunst & Kultur im Fokus.“

Die Relevanz von Kunst (und ihrer finanziellen, politischen Förderung) wird zunehmend aus ihrer Bedeutung für den Lebenswert eines Gemeinwesens abgeleitet – auch auffallend oft in Leitartikeln dieser Zeitung. Das ist nicht ehrenrührig, und ich selbst singe dies Lied allzu oft – aber ist die Kunst dann frei von „externen Referenzen“? Ist nicht dies eine Instrumentalisierung im Sinne Ullrichs?

Wenn OB-Kandidat Uwe Schneidewind unter seinem Leitbegriff „Zukunftskunst“ die Kunstszene anspricht, um (auch) mit ihren Mitteln Transformationsprozesse in Politik und Wirtschaft in Gang zu setzen („denn das Zusammenspiel verschiedener Dimensionen beherrschen Künstler oft sehr viel besser“), dann schmeichelt solche Anerkennung - und wirkt ein wenig wie eine freundliche Übernahme. Im schönen Wort „Zukunftskunst“ lauert die Gefahr, dass Kunst benutzt und auf einen Methoden- und Strategiepool im Dienste der Fortentwicklung von Gesellschaft und Ökonomie reduziert wird.

Aber Kunst dient nicht, auch nicht hehren Zielen, wie Heiner Müller wusste: „Kunst hat etwas Kannibalisches. Kunst verbraucht Menschen, Kunst zerstört Menschen. Kunst ist nicht unbedingt etwas Gutes oder Humanes.“

Stattdessen muss Kunst immer zu weit gehen, sagte Böll in Wuppertal, und „wenn sie zu weit geht, dann merkt sie´s schon: es wird auf sie geschossen“. Hier geschieht das Gegenteil: Kunst, Kultur, die freie Szene werden von allen in den Arm genommen, weil man sich offenbar darauf geeinigt hat, Gutes (sein) zu wollen. Diese Umarmungen könnten zur Erstickung führen. Ich glaube, wir sollten uns aus der Umklammerung befreien. Ich will kein romantisierendes Bild des Künstlers als Bohemien oder Revoluzzer malen, aber Bölls Rede erinnert mich an alte Ideale: „Nie kann die Literatur Ruhe geben, da sie funktionierende oder gar funktionalisierte Freiheiten nie als solche anerkennt.“

Ich frage mich, ob ich das radikal und konsequent in meiner Arbeit beherzige. Ich fürchte: Eher nicht. Wahrscheinlich mache ich gar keine Kunst. Sondern womöglich irgendwas Systemrelevantes. Denn, so Böll 1966: „Poesie ist Dynamit für alle Ordnungen dieser Welt.“ Also grade kein Stabilisator für ein System. Vielleicht mach ich nochmal eine Ausbildung, zum Sprengmeister.

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