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„Asphaltliteratur“ kann Vorbild sein

Von Max Christian Graeff

Weiß der Frühling eigentlich, was er will – oder was wir wollen? Plötzlich schneit es wieder, obwohl sich doch alles so nach dem Ausbruch des Frühsommers sehnt, als Gegenbeweis zu der Ungebremstheit der globalen Naturzerstörung. Wer einen Garten hat, optimiert die Sichtschutzzäune und legt neuen Sandstein aus Fernost unter den Grillplatz, als gäbe es Idyllen auf Bestellung. Zur Sicherheit ist der Flug auf die Malediven längst gebucht. Dieses Jahr kann absolut nichts schiefgehen! Und abends geht es ins Konzert, ein Event mit Wohlfühlgarantie, hochbewertet, totgelobt … –

Max Christian Graeff - Foto: C. Paravicini
Max Christian Graeff - Foto: C. Paravicini

Gegen all das ist wenig einzuwenden, und was wäre unsere seltsame Stadt ohne ihre Ausprägungen der bürgerlichen Hochkultur, des Gesetzten und Bekannten, des Erfolgreichen und Gefeierten? Es stabilisiert das Renommee und fördert das Selbstwertgefühl, sogar in Zeiten einer ratlosen Europawahl und vergurkter Seilbahnabstimmng.
Zeitgleich zeigen die Braunen Formationsmärsche und dröhnende Showelemente auf den Straßen, um das Land an ihren Geifer zu gewöhnen und Mitläufer-Abonnements zu generieren. Auch sie nutzen die Sehnsucht nach Idylle und Sicherheit, nach dem Plätzchen im Grünen, nach Geltung und Erfolg. Wären sie schon stark genug, würden sie viel vehementer in die Bildung und Genusskultur eingreifen, sie mit ihrer menschenfeindlichen Blut-und-Boden-Ideologie vereinnahmen und uns alle ihr Handwerk der Ausgrenzung und Zerstörung im Nu spüren lassen. Noch ist das Blut nur Wurst und das Kulturleben der demokratischen Bürger kräftig genug, um dem zu widerstehen, doch Verlässlichkeit ohne jedes Limit gibt es hierfür keineswegs.

Was tun? Ein Schritt wäre, die Gewohnheiten der viel zu lang geübten Innenschau aufs eigene Wohlergehen zu durchbrechen und den Blick auf die Welt nicht mehr nur durch den risikofreien Konsum des etabliert Bekannten zu füttern. In der Wahrnehmung der agilen Gegen- und Gegenwartskultur ist noch jede Menge „Luft nach unten“. Damit meine ich nicht nur die „freie Szene“ der offiziell Kulturtreibenden. Auch zum Beispiel die Straßenzeitung „fiftyfifty“ bringt lesenswerte neue Literatur, nur dass sie kaum jemand liest. Auch die meisten der in Armut aufwachsenden Kinder haben faszinierende Begabungen für Sprachen und Malerei oder ein absolutes Gehör, nur dass ihnen keiner glauben möchte. Manch Obdachloser muss seine Neigung zur Poesie verstecken, nur weil ihm eh niemand zuhört.

1903 erschien der erste von drei Bänden der Sammlung „Lieder aus dem Rinnstein“ des Journalisten und Landstreichers Hans Ostwald, darin neben Klassikern und vielem Vergessenen auch eine erschröcklich wilde „Ballade aus den sauerländischen Bergen“ der noch kaum bekannten, heute von uns so gefeierten Else Lasker-Schüler. Damals das, was nach dem ersten Weltkrieg „Asphaltliteratur“ genannt und schon bald verbrannt wurde; heute ein Beleg für das Dichten ohne Erfolgsgarantie, für das wahre künstlerische Leben auf dem Glatteis der Gegenwart.

Wir sollten den Asphalt nicht den Nazis überlassen. Er ist der Boden für jene Kultur, die uns helfen kann, den Verführungen zur Unmenschlichkeit zu widerstehen.

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