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Let‘s do the Time Warp, again and again

Auch die Kultur ist endlich… im Kräftespiel zwischen Hoffnung und Angst // 7. September 2022

Von Max Christian Graeff

Na, endlich! Die Zeit stellt im Purzelbaum eine Normalität wieder her, die wir jahrzehntelang vermissten: Jene, in der die Blätter von den Bäumen fallen, bevor die Weihnachtsbilligbackwarensonderpaletten die Kassengänge umsäumen. Alles wieder wie früher, nur eben früher, was doch logisch ist, wenn die Resttage unseres Existierens so rapide abschmelzen. Und schon ist mein Vorsatz eines gnadenlos hoffnungsvollen Anfangs dahin.

Max Christian Graeff - Foto: C Paravicini
Max Christian Graeff - Foto: C Paravicini

„Noch ist Zeit“, so hatte ich beginnen wollen, um mit Bezug zur Machbarkeitsstudie des Wuppertal-Instituts zur Einhaltung einer Temperaturgrenzmarke auf die Großdemos des weltweiten Klimastreiks am Freitag, 23. September, hinzuweisen. Noch ist Zeit, um für diesen Tag auch ältere Freunde und Nachbarn zu mobilisieren, die Argumente zusammenzupuzzeln und persönliche Verträglichkeitsübungen für kommende Jahre zu etablieren. Dann merkte ich, dass ich selbst an dem Tag in einem fernen Museum auf der Bühne stehe und im Sinne der schwerfällig wiederbelebten Nachtkultur und der nächsten Mietzahlung auf Besuchende hoffe, selbst wenn sie mit dem Kraftverkehr kommen … So ein Schlamassel!

Na, endlich. Das Verhandeln aller Bedürfnisse wird noch deutlicher als bisher zu den kulturellen Aufgaben der nahen Zukunft gehören: Ins Theater gehen, auch wenn die Zähne klappern. Lesestoff kaufen, auch wenn die Verlage unter dem Papierpreis ächzen. Sich in einer gerechteren Sprache üben, auch wenn das mehr als lästig ist. Das Maul aufmachen, wenn in der Schwebebahn Maskenträger aggressiv verspottet oder schön bekleidete Menschen ohne marktgeprägte Geschlechtsmerkmale angegriffen werden. (Hier bitte selbst weitere zahllose Beispiele einsetzen.)

Der Wind weht schärfer und beißender als derzeit noch spürbar durch die Kulissen fossiler Denkstoffmärkte: Zeitungen propagieren den „Wutwinter“ und Vereinigungen von Rechthabern aller Länder schreien sich weiterhin in heisere Mordstimmung. Tschechien, Italien – die Egomanen üben sich im Rückwärtsgang: Nicht nur auf den großen Plätzen; das Virus kriecht durch jede Ritze, sobald die Temperatur im Wohnraum sinkt.

„Na, endlich“, dachten viele, als vor einem halben Jahrhundert das Buch „Grenzen des Wachstums“ erschien und auch, als wir kurz darauf in die Kinos liefen, um die „Rocky Horror Picture Show“ zu sehen, deren Urfassung übrigens in einem freien Kleintheater mit nur 65 Sitzplätzen entstand – wie so viele spätere Großprodukte der Mengenkultur.

„Let‘s do the time warp again“ ist heute nur noch ein Haxenbrecher auf jeder Ü50-Party, während schwere und tödliche Angriffe auf Transmenschen jeden Alters Tagesnachricht sind. Was haben diese Beispiele für Zeitstimmung und (vom jährlich neuen Kugelgrill abgesehen) vergeudete Boomer-Leben nun mit der freien Kulturszene zu tun? Sehr viel. Na, wir sind endlich und haben nur noch geringe Chancen, die Möglichkeit menschlichen Lebens aufrechtzuerhalten.

Hoffnung ist eine kulturelle Kerndisziplin, in der es nicht um die Begeisterungsattitüden des fadenscheinig Möglichen geht wie bei Großanlässen mit Kraftrockern und Schlagertanten, sondern um den ständigen Mut zum Neuanfang. Theater wird nicht im voll klimatisierten Tribünenraum geboren, sondern auf dem Thespiskarren, so wie die Kunst in den Ateliers.

Besuchen Sie die Literatur-Biennale, das Loch, den Ort, die Insel, die Filmpremieren des Medienprojekts. Gehen Sie jetzt (und nicht später) an jene Orte, an denen täglich das neue Leben beginnt. Kultur ist die einzige Wärmepumpe, die wirklich funktioniert. Noch ist Zeit.

Anregungen und Kritik: kolumne@fnwk.de

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